Touristisch erschlossene Regionen eignen sich besonders für Firmengründungen. Das zeigt die Unternehmensgeschichte von „in2reality“.
Wie profitiert die Firma vom Tourismus? Der Freizeitwert der Gegend sei enorm, sagt der Gründer, das spürten er und sein Team jeden Tag. „Ich fahre mit meinem Team regelmäßig Rad, 25 Kilometer nach Sonthofen und zurück, Blick auf die Alpen, fantastische Natur, wo gibt’s schon so was?“ Dass der Chef dabei dem Rest der Firma vorausfährt, hängt damit zusammen, dass er für den Triathlon trainiert und sich nach dem „Ironman“ in Frankfurt schon auf den nächsten Wettbewerb vorbereitet. „Es ist nur ein Detail: Aber die Art, wie hier die Radwege in Schuss sind, dass ich mein Trainingsgelände vor der Haustür habe, da spürt man, dass man in einer touristischen Gegend ist, in der darauf geachtet wird, dass die Dinge gepflegt werden. Das ist klasse und macht es uns wirklich angenehm, hier zu Hause zu sein.“
Drei von vier Mitarbeitenden von „in2reality“ kommen aus dem Ausland, leben jetzt im Allgäu und wollen auch nicht mehr weg. Der Freizeitwert, die Infrastruktur, die Hilfsbereitschaft, das sind ganz entscheidende Faktoren für den Erfolg der Firma. Die Mieten sind moderat, die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu den Metropolen in Ordnung. All das werde ihm auch in Zukunft beim Anwerben von neuen Mitarbeitenden für die Firma helfen, da ist sich Oleg Finger sicher.
Hinzu kommt, dass Finger in Kempten und Umgebung ein großes, zuverlässiges Netzwerk gefunden hat. Es ist sogar ein dreifaches Netzwerk: Bestehend erstens aus der „Allgäu Digital“, mit deren Fachleuten er sich regelmäßig zu Themen wie Marketing oder Finanzen berät. Und die ihm auch helfen, Veranstaltungen zu organisieren, in denen er seine Produkte anderen Gründerinnen und Gründern, zukünftigen Mitarbeitenden oder Hochschulvertretenden vorstellt. „Ich werde hier optimal unterstützt, es ist der Hammer“, schwärmt Finger. Zweitens sind da die anderen Start-ups, mit denen er projektweise kooperiert und mit denen der Umgangston „immer geleitet von Hilfsbereitschaft ist“. Und drittens ein Netzwerk aus Auftraggebenden direkt vor der Firmentür: Für Kempten und die Nachbarstadt Isny entwarf Oleg Fingers Team VR-Videos, dank derer man die Stadt überfliegt oder die mehr als 500 Jahre alte Predigerbibliothek Isnys betritt und sich von einem Mönch herumführen lässt. In Kempten hat Oleg Finger dann schließlich auch seine Familie gegründet, in der Stadt, die ihn, den Zugereisten, mit offenen Armen empfangen hat. „Die Menschen hier wechseln oft auf Hochdeutsch, sobald sie meinen Akzent hören“, sagt Finger mit einem Lächeln. „Ob es an der natürlichen Herzlichkeit der Leute liegt oder am Kontakt mit Touristen – auf jeden Fall spürt man ein echtes Entgegenkommen.“
Im Falle von „in2reality“ addieren sich letztlich zwei Effekte miteinander. Zum einen sind es die generell guten Rahmenbedingungen für Start-ups in Bayern mit 19 digitalen Gründerzentren. Nach den Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist Bayern das Bundesland mit den meisten Start-up-Neugründungen pro Einwohner. Zum anderen ist es der Anschub, den die touristische Region den Start-ups gibt. „Auch Dinge wie ein funktionierender ÖPNV, Wanderwege und eine hohe Qualität in der Gastronomie machen das ‚Hier-Sein‘ einfach besser. Für mich, für die Familie und für die Firma.“
„Netzwerke sind das A und O des Gründens“
…, sagt Sebastian Kehr, Leiter von Allgäu Digital. In den ländlichen Regionen Bayerns – und das gilt nicht nur für das Allgäu – gehen Türen schneller auf als in den Start-up-Hochburgen, so Kehr. Hier kennt immer jemand jemanden, der mitmachen will und helfen kann: von Mittelständlern über Handwerksbetriebe bis zu großen, internationalen Konzernen wie Dachser und Bosch. Auch ist die Suche nach Mitarbeitenden in der touristisch erschlossenen Region oft leichter als in den Städten. Denn nach Feierabend zu wandern oder Ski zu fahren, das geht eben hier besonders gut. „Mit diesem Argument kann man Fachkräfte finden und an sich binden“, so Kehr. Das gilt für Start-up-Neugründungen, aber genauso für bereits existierende Unternehmen, die auf der Suche nach weiteren Standorten sind.
Lebensqualität als Standortfaktor
Hinzu kommen Standortfaktoren, zu denen Merkmale wie Lebensqualität, kulturelles Angebot, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten oder das Image einer Region zählen. Für viele dieser Effekte ist der Tourismus verantwortlich, weil er in zahlreiche Bereiche investiert, die eine Region attraktiv machen. Diese sogenannten ‘weichen Standortfaktoren‘ spielen „eine wichtige Rolle bei der Standortwahl von Unternehmen und Privatpersonen“, so Prof. Torsten Widmann, Studiengangsleiter Freizeitwirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg.
Die Region sorgt für die App-Idee
Manchmal ist die Region selbst Anlass zur Start-up-Gründung, wie im Falle der Routenplaner-App Komoot, gegründet von Markus Hallermann. Hallermann, begeisterter Wanderer, erfand mit Komoot eine App, die ihm und anderen bei Ausflügen in die Natur hilft – ein Werkzeug also, das so nur in der touristischen Region mit ihren vielen Wanderwegen entstehen konnte
Wie Bayern Start-up-Gründerinnen und Gründern hilft, das erfahren Sie hier: Gründerland Bayern
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