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{{postCount}} Interview mit Staatsministerin Michaela Kaniber

„Wir spielen in der ersten Liga“

Interview mit Michaela Kaniber, Bayerische Staatsministerin für Landwirtschaft, Ernährung, Forsten und Tourismus

© Nadine Keilhofer

Frau Staatsministerin, im Zuge der Koalitionsverhandlungen wurde ihr Ministerium zusätzlich um den Bereich Tourismus erweitert. Ihr Ministerium trägt nun auch den Tourismus im Namen, eine bisher einzigartige Entscheidung. Warum war Ihnen die Erwähnung so wichtig und worauf freuen Sie sich bei Ihrer neuen Aufgabe besonders?

Zunächst einmal freue ich mich sehr, nun auch die bayerische Tourismusministerin zu sein. Ich verstehe mich als Kämpferin für die Anliegen der Branche und möchte diese nachdrücklich voranbringen. Ich freue mich deshalb so darüber, weil Tourismus und Landwirtschaft wunderbar zusammenpassen, sie ergänzen sich gegenseitig. Ich habe mir für meine neue Aufgabe viel vorgenommen. Die bayerische Tourismuspolitik kommt künftig aus einer Hand. Da ist es nur folgerichtig, dass mein Ministerium nun auch den Namen Tourismus im Titel trägt. Der Tourismus ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Bayern. Dahinter stehen hunderttausende Menschen, die mit viel Herzblut die bayerische Gastlichkeit Tag für Tag vorleben. Mit dem Tourismus im Namen wollen wir auch ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung setzen, für alle, die für den Tourismus einstehen. Ich freue mich, den Anliegen dieser Menschen eine politische Stimme zu geben.

In Ihrer Funktion als Landwirtschaftsministerin sind die Themen Natur, Landschaft und Genuss von großer Bedeutung – Aspekte, die ebenso maßgeblich die Attraktivität Bayerns für unsere Gäste ausmachen. Welche Synergien sehen Sie konkret zwischen Ihren bisherigen Aufgaben und dem neuen Thema Tourismus?

Schon in der Vergangenheit hatten wir uns in meinem Haus um verschiedene Themen gekümmert, die einen engen Bezug zum Tourismus haben: beispielsweise die vielfältigen Angebote für Urlaub auf dem Bauernhof oder das LEADER-Programm, mit dem wir gezielt Projekte mit direktem Bezug zum Tourismus fördern. Oder denken Sie an die Gestaltung unserer wunderbaren Kulturlandschaften durch unsere Landwirtinnen und Landwirte, die Bayern so attraktiv für Touristen aus der ganzen Welt machen. Aber auch regionale Wirtschaftskreisläufe, Direktvermarktung, Genussregionen oder gesunde Küche sind seit jeher wichtige Themen des Landwirtschaftsministeriums. Und auch mit dem DEHOGA Bayern pflegen wir schon lange eine enge Zusammenarbeit, zuletzt bei einer Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie. Diese Synergien müssen wir nutzen, um den Tourismus, aber auch die ländliche Entwicklung sowie die Infrastruktur in den Regionen weiter voranzubringen. Eine Win-Win-Situation für Gäste und Einheimische. Ein weiterer Schnittpunkt ist zum Beispiel der Agritourismus.

Auch Bayerns Städte sind mit rund einem Drittel der Übernachtungen wichtiger Bestandteil des Bayerntourismus. Welche Schwerpunkte möchten Sie hier setzen?

Zunächst einmal möchte ich klarstellen: Bayern braucht beides: Tourismus auf dem Land und in der Stadt. Beide Themen stehen daher auf unserer Agenda. So laufen bereits konkrete Überlegungen, wie wir für die Kongresswirtschaft in Bayern einen nachhaltigen Impuls setzen können. Andere Wettbewerber unterstützen ihre Kongressstandorte bereits finanziell bei der Akquise neuer Veranstaltungen. Um hier wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir eine solche Initiative auch in Bayern.

Was mir darüber hinaus wichtig ist: Wir müssen Tourismus in der Stadt und Tourismus auf dem Land als eine Einheit begreifen. Ein Gast, der nach München kommt, fährt häufig auch ins Umland. Und wer im schönen Volkach Urlaub beim Winzer macht, bei dem steht sicher auch ein Besuch der Würzburger Residenz ganz oben auf der Liste. Für den Bayerntourismus gilt: Stadt und Land, Hand in Hand.

Für den Bayerntourismus
gilt: Stadt und Land,
Hand in Hand

Staatsministerin Michaela Kaniber

Bayern hält seit Jahren den Spitzenplatz bei inländischen und ausländischen Gästen. Welche Vision und Leitlinien haben Sie sich für Ihre Arbeit gesetzt, um diese Position langfristig zu sichern?

Unser bayerischer Anspruch ist immer, in der Spitzenliga zu spielen. Mit einem Platz im Mittelfeld haben wir uns noch nie zufriedengeben. Mein Anspruch ist klar: Ich will die Position Bayerns als Tourismusland Nr. 1 in Deutschland stärken und weiter ausbauen.

Dabei ist es mir besonders wichtig, die Vielfalt unserer touristischen Angebote zu erhalten und zu fördern. Wir haben etwa mit unseren Naturschönheiten, unserem Kulturangebot und unserer Kulinarik wertvollste touristische Schätze. Diese Vielfalt und die prägende Rolle der mittelständischen Familienbetriebe sind es, die uns von vielen anderen Destinationen unterscheidet. Das gilt es unbedingt zu fördern und zu erhalten.

Wie wichtig ist Ihnen dabei das Thema Nachhaltigkeit?

Die Nachhaltigkeit ist natürlich eines der zentralen Themen im Tourismus. Denn nur mit intakten regionalen Wertschöpfungsketten und einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen sichern wir die Zukunftsfähigkeit des Tourismus und halten unsere Heimat lebenswert. Deshalb genießt für mich eine nachhaltige Destinationsentwicklung sehr hohe Priorität. Nachhaltig ist Tourismus aus meiner Sicht dann, wenn er die Bedürfnisse von Einheimischen und Gästen gleichermaßen berücksichtigt, Impulsgeber für eine aktive Lebensraumgestaltung in Kommunen ist und dabei ökonomisch, ökologisch und sozial positiv wirkt. Denn wenn eine Destination attraktiv für den Tourismus bleibt, nutzt dies auch den Einheimischen. Und wenn die Einheimischen hinter dem Tourismus stehen, fördert dies die Attraktivität der Destination. Dieses Miteinander wird eine wesentliche Leitschnur der Ausrichtung des Bayerntourismus sein.

Das BayTM Magazin thematisiert in dieser Ausgabe die Zukunft des Tourismus, insbesondere in Bezug auf Klimaanpassung, Künstliche Intelligenz und den Arbeitsmarkt. Wie sehen Sie den Tourismus in Bayern in diesen Bereichen aufgestellt und welche Herausforderungen sehen Sie?

Wir haben diesen Sommer gesehen, wie sehr der fortschreitende Klimawandel vielen Destinationen am Mittelmeer zu schaffen gemacht hat. Vieles deutet darauf hin, dass mittelfristig mehr Menschen weniger heiße Regionen für ihren Urlaub bevorzugen. Auch lange Flüge werden in Zeiten des Klimawandels stärker hinterfragt. Davon könnte Bayern profitieren. Das heißt aber keinesfalls, dass wir uns hier zurücklehnen können.

Auch wir müssen uns auf die Folgen des Klimawandels für den Tourismus einstellen: Es braucht regional angepasste Konzepte, um dem Klimawandel zu begegnen. Dazu gehört vor allem, für das ganze Jahr ein breiteres, witterungsunabhängiges Angebot zu entwickeln. Wir brauchen flexible Alternativen, um etwa auf Hitzewellen oder schneearme Winter reagieren zu können.

Zur Künstlichen Intelligenz an dieser Stelle nur so viel: KI kann – wie die Digitalisierung insgesamt – dabei helfen, Effizienz zu steigern und so individuellen Service bezahlbar zu machen. Die Serviceorientierung ist ein riesiger Vorteil des Tourismus: Wenn alles um uns herum immer digitaler wird, werden wir ein Comeback von Jobs erleben, die mit Menschen zu tun haben und Services bieten. Das tiefe menschliche Bedürfnis, andere Menschen glücklich zu machen, wird angesichts des rasanten technischen Fortschritts weiterwachsen. Darin steckt eine große Chance.

Der Fach- und Arbeitskräftemangel trifft die Tourismuswirtschaft teilweise noch stärker als andere Branchen. Deshalb müssen wir weiter für die Duale Ausbildung als attraktiven Einstieg in die Berufswelt werben. Wir dürfen nicht nachlassen, junge Menschen für eine Ausbildung im Tourismus zu begeistern. Wir unterstützen diesen Weg mit unserer Imagekampagne „Wir machen Urlaub“. Die Kampagne zeigt, dass hinter der Tourismusbranche Menschen stehen, die für ihren Beruf brennen. Weil die Kampagne in diesem Frühjahr so erfolgreich gelaufen ist, wurde sie bis Ende des Jahres verlängert.

Darüber hinaus müssen wir die Arbeitswelt flexibler gestalten und auf geänderte Realitäten reagieren. Ich denke hier etwa an die dringend fällige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Wir müssen offen über eine längere Arbeitszeit an einzelnen Tagen sprechen. Es geht nicht um Mehrarbeit, sondern um mehr Flexibilität. Mit einem Arbeitsrecht von gestern können wir keine verantwortungsvolle Zukunft gestalten. Hier ist die Ampelkoalition in der Pflicht.

Neben den genannten Aspekten, gibt es weitere Bereiche, die Ihrer Meinung nach den Tourismus in Bayern in der Gegenwart und Zukunft maßgeblich beeinflussen werden?

Urlaub ist ja auch immer eine Projektionsfläche für die Sehnsüchte und Wünsche unserer Zeit. Und da sehen wir, dass viele Menschen im Moment sehr gestresst sind. Die Schlagzahl für uns alle ist enorm hoch. Das wirkt sich auch auf Freizeit und Urlaub aus. Viele haben Sehnsucht nach Erholung oder Wellness. Das alles können wir in Bayern bieten. Und wir wollen hier noch besser werden.

Ich sehe enorme Chancen etwa im Bereich Agritourismus. Ich möchte diese Form des Urlaubs auf dem Bauernhof noch stärker für neue Zielgruppen erschließen und auch die Qualität der regionalen Produkte noch stärker in den Vordergrund stellen. Wir haben mit vielen familiengeführten Betrieben die kleinteilige Landwirtschaft, die sich die Gesellschaft wünscht. Darauf lässt sich aufbauen, aber noch können wir viel von den Österreichern und Italienern lernen.

Oder denken wir an den Zukunftstrend Workation. Der Wunsch, Arbeit und Urlaub an einem touristischen Ort zu kombinieren, hat stark zugenommen. Und wo soll das besser gelingen als bei uns in Bayern! Ich sehe auch hier ein beachtliches Potential. Das gilt auch für den Gesundheitstourismus und insbesondere für unsere Kurorte und Heilbäder. Deshalb wollen wir die Bäder im harten Wettbewerb des Gesundheitstourismus stärken und ihre Position gegenüber Konkurrenten in den anderen Bundesländern und im benachbarten Ausland verbessern. Wir entwickeln gerade eine Offensive Gesundheitstourismus, mit der wir in der Branche einen massiven Modernisierungsschub auslösen wollen. Der Fokus liegt dabei auf investiven Maßnahmen, strategischen Konzepten für die Kur- und Heilbäder, der Modernisierung der Vertriebswege sowie auf Digitalisierung.

Abschließend, Frau Staatsministerin, erlauben Sie uns noch einen persönlichen Einblick: Als jemand, der selbst aus einer beliebten Tourismusregion stammt – haben Sie einen Lieblingsplatz in Ihrer Heimat, den Sie mit uns teilen würden?

Jeder hat sein Fleckchen, das einem besonders am Herzen liegt. Ich fühle mich überall dort wohl, wo ich meine knappe Freizeit mit Familie und Freunden genießen kann. Aber Geheimtipps haben es nun mal so an sich, dass sie geheim bleiben (lacht). Aber wenn ich in der unmittelbaren Umgebung meines Zuhauses mit unserem Hund Coco im Wald spazieren kann, dann komm ich ins Träumen und Genießen, weil unser Bayernland so ein wunderschöner Fleck auf dieser Erde ist.

Vielen Dank für das Interview, Frau Staatsministerin!

© Nadine Keilhofer