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3 Fragen an den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger

Zwischen Tür und Angel

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Tourismus wird ja in der Regel als Querschnittsbranche bezeichnet, aber was genau bedeutet das – insbesondere mit Blick auf Bayern?

Der Tourismus ist zweifelsohne eine der tragenden Säulen der bayerischen Wirtschaft. Doch seine große Bedeutung für den Freistaat lässt sich nicht so einfach aus der offiziellen Statistik ablesen. Denn während etwa die Automobilindustrie Autos produziert, „produziert“ die Tourismuswirtschaft keinen „Tourismus“. Die Zugehörigkeit zum Tourismus wird vielmehr über die Nachfrage der Gäste bestimmt.

Und diese Nachfrage kann in den unterschiedlichsten Bereichen erfolgen. Dazu zählen Übernachtungsleistungen in einem Hotel, in einer Ferienwohnung oder auf dem Campingplatz genauso wie das Mittagessen in einer Gaststätte oder die Jause auf einer Berghütte. Aber auch im gesamten Freizeitbereich, in Freizeitparks und Schwimmbädern, bei Seilbahnen oder auf Indoor-Spielplätzen machen Touristen einen mehr oder weniger großen Teil der gesamten Nachfrage aus. Das gilt ebenso für den Kultur- und Eventbereich, den Einzelhandel oder das Genusshandwerk, um nur einige Beispiele zu nennen. Weil also touristische Leistungen in den unterschiedlichsten Branchen „produziert“ werden, gilt der Tourismus als Querschnittsbranche. Die positiven Effekte des Tourismus auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze kommen in den unterschiedlichsten Branchen an und machen ihn zu einer enormen wirtschaftlichen Bereicherung für eine Region oder eine Gemeinde.

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Warum ist es so wichtig, dass die bayerische Bevölkerung diese positiven Effekte wahrnimmt und ein positives Tourismusbewusstsein entwickelt?

Wir haben, wie gesagt, den breit gefächerten wirtschaftlichen Mehrwert des Tourismus. Aber seine Wirkung und Relevanz gehen weit über unmittelbare ökonomische Effekte hinaus, betreffen Bevölkerung und Gesellschaft insgesamt. Der Tourismus in all seiner Vielfalt prägt eine Region und wertet sie auf. Thermen und Schwimmbäder, Rad- und Wanderwege, öffentlicher Nahverkehr und Parkplätze, Spielplätze und Parks, Museen und Galerien – vieles, was vor Ort an Infrastruktur entstanden ist, würde es für die Einheimischen allein nicht in diesem Umfang geben. Auch die Nahversorgung vom Bäcker bis zum Bekleidungsgeschäft kann besser und vielfältiger sein, wenn die touristische Nachfrage zur einheimischen dazukommt. Wie eine Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus zeigt, sind auch deshalb in touristisch geprägten Regionen deutlich mehr Menschen mit ihrem Leben zufrieden als in nicht touristisch geprägten.

Ohne Tourismus wären viele Kommunen für eine lebendige Infrastruktur zu klein, gäbe es weniger Arbeitsplätze und damit weniger Einwohner. Tourismus macht Gemeinden lebendig. Denn dort, wo der Tourismus floriert, ziehen die Menschen hin, leben Familien, gibt es Kindergärten, Schulen, ein Jugendzentrum oder Angebote für Senioren. Tourismus-Gemeinden sind immer auch Einheimischen-Gemeinden. Letztlich kann all das als weicher Standortfaktor auch die Ansiedlungsentscheidung von Unternehmen weit außerhalb der Tourismusbranche positiv beeinflussen. Damit übernimmt der Tourismus auch die Funktion des Standortmarketings.

Dieses Tourismusbewusstsein, also das Wissen über die vielfältigen positiven Effekte des Tourismus, gilt es zu schärfen. Wir müssen den Menschen bewusst machen, dass sie auf vielfältige Art und Weise vom Tourismus profitieren, auch wenn sie nicht unmittelbar in der Branche beschäftigt sind.

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Tourismus ist für viele positive Entwicklungen verantwortlich, auch für solche, die man nicht auf Anhieb erkennt. Gibt es in Bayern Branchen oder gesellschaftliche Bereiche, die mehr von Tourismus profitieren, als man auf den ersten Blick denken würde?

Alle bereits genannten Bereiche profitieren umfangreich vom Tourismus. Ich möchte aber auch die Landwirtschaft hervorheben. In Zeiten von Globalisierung und digitaler Vernetzung wünschen sich immer mehr Gäste in ihrem Urlaub echte Erlebnisse und den persönlichen Kontakt zu Einheimischen. Regionalität, Authentizität und Landlust sind nicht von ungefähr wichtige Trümpfe im Bayerntourismus.

Wir wollen diese hohen Trümpfe künftig noch häufiger spielen und Landwirtschaft und Tourismus weiter vernetzen. Ferien auf dem Bauernhof sind hier nur ein wichtiger Aspekt. Regionale Spezialitäten erfreuen sich bei unseren Gästen immer größerer Beliebtheit. Wir sollten deshalb das Band zwischen regionaler Landwirtschaft und authentischer Gastronomie noch enger knüpfen und regionale Wertschöpfungsketten stärken. Immer mehr Gäste wollen als Einheimische auf Zeit in die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort eintauchen. Ich sehe hier ein enormes Potenzial für die land- und forstwirtschaftlichen Akteure, im Bildungs- genauso wie im Erlebnisbereich. Und vergessen wir eines nicht: Auch die schon fast sprichwörtliche schöne bayerische Landschaft, wegen der viele Menschen bei uns Urlaub machen, verdanken wir vielerorts der Land- und Forstwirtschaft. Denn die Kuh auf der Weide gäbe es ohne unsere Bäuerinnen und Bauern ebenso wenig wie Alm-, Berg- und Streuobstwiesen oder die Kulturlandschaft Wald.

© StMWi/ E. Neureuther