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{{postCount}} Kommt ein Tourist ins Autohaus
Füssen

Kommt ein Tourist ins Autohaus

Hotels, Restaurants, Thermen leben unmittelbar vom Tourismus. Doch auch Autohäuser, Fliesenlegerbetriebe und Wäschegeschäfte profitieren von der Urlaubsbranche. Wie genau, haben wir uns in Füssen und Bad Füssing angesehen, zwei bayerischen Urlaubsorten, die nicht nur einen ähnlichen Namen teilen

Carsten Wojtzeks Arbeitsplatz liegt weder bei den Königsschlössern noch in den Hotels mit ihren Gesundheitsangeboten. Sein Arbeitsplatz liegt im Gewerbegebiet an der Kemptener Straße und ist eine moderne Glaskonstruktion, an die sich ein großer Parkplatz anschließt. Und doch ist Carstens Wojtzeks Arbeitsplatz eine touristische Attraktion. Denn einige Gäste machen sich während ihres Füssen-Urlaubs ganz bewusst auf den Weg dorthin.

Rund 30 Autos pro Jahr werden an Tourist*innen verkauft

Sie verbringen Zeit dort und geben Geld aus. Manchmal sogar richtig viel. Dann nämlich, wenn sie bei Wojtzek einen BMW kaufen. Und das kommt gar nicht so selten vor. Wojtzek ist Geschäftsleiter des Autohauses Widmann + Winterholler in Füssen. 30 Mitarbeitende sind dort damit beschäftig, Neu- und Gebrauchtwagen zu verkaufen, Fahrzeuge zu warten und zu reparieren, Ersatzteile zu handeln. Und das mitnichten nur für die Kundschaft aus der Umgebung. Von den 160 Neuwagen, die im Füssener Autohaus jedes Jahr verkauft werden, gehen – schätzt der Geschäftsleiter – etwa zehn an Tourist*innen, von denen viele inzwischen zur Stammkundschaft zählen. Noch besser sieht es bei den Gebrauchtwagen aus; da verkauft das Autohaus rund 20 BMWs pro Jahr an Urlaubende. Ist ja auch ein schönes Souvenir. Vor allem aber ein plastischer Beleg dafür, dass der Tourismus als Querschnittsbranche nicht nur typische Wirtschaftszweige wie Hotellerie und Gastronomie zum Blühen bringt, sondern auch dort positiv wirkt, wo man touristischen Einfluss erstmal nicht vermutet. Und in Bereichen, die man nicht unmittelbar mit Urlaubsfreuden in Verbindung bringt. Wojtzek erzählt von Gästen, die im Urlaub ihr Fahrzeug zum Kundendienst brächten, die oft schon von zu Hause aus Termine buchten und gezielt nach Aktionen fragten. „Im Urlaub haben die Menschen Zeit dafür“, hat er beobachtet. Die touristische Nachfrage nach Gebrauchtfahrzeugen habe übrigens dazu geführt, dass er das Angebot in diesem Sektor entsprechend ausgeweitet habe.Füssen ist eine Kleinstadt, in der mehr als 1,4 Millionen Übernachtungen und geschätzt rund zwei Millionen Tagesbesucher*innen im Jahr auf knapp 16.000 Einwohner*innen kommen. Die Stadt lebt hervorragend vom Tourismus. „Verglichen mit anderen Kleinstädten haben wir paradiesische Zustände“, sagt Stefan Fredlmeier, seit 15 Jahren Chef der Füssen Tourismus und Marketing. „Tourismus bedeutet bei uns ein Arbeitsplatzäquivalent von etwa 3.870 Personen. Dazu kommt ein großartig entwickelter Lebensraum mit extrem hoher Lebensqualität. Wir haben ein Festspielhaus, in dem Musicals von Ralph Siegel aufgeführt werden, in dessen Barockgarten aber auch Simply Red auftritt. Und wir haben eine perfekt sanierte Altstadt fast ohne Leerstand.“ Wirtschaftlich wirke der Tourismus in die Tiefe. „An ihm hängen ganz viele Gewerke.“

Carsten Wojtzek, Autohaus Widmann + Winterholler, Füssen

Wegen der touristischen Nachfrage bieten wir jetzt mehr Gebrauchtwagen an.

Carsten Wojtzek, Autohaus Widmann + Winterholler, Füssen

Etwa ein Drittel seiner Fliesen verlegt Hans-Jörg Adam „touristisch“

Ein Heer an Handwerker*innen und Dienstleister*innen hat allein schon in der Hotellerie zu tun: Unterkünfte müssen gebaut, eingerichtet, in Schuss gehalten und regelmäßig renoviert werden. Das beschäftigt Füssener Bauunternehmen, Malereibetriebe, Elektriker*innen, Gärtnereien und Parkettleger*innen, Wäschereien und Zimmerleute. Und Fliesenlegermeister Hans-Jörg Adam, der zusammen mit zwei Gesellen und einem Lehrling für fachgerecht geflieste Feuchträume, Eingangshallen und Speisesäle sorgt. Und das zu 30 Prozent im touristischen Bereich, d. h. vor allem in Hotels. „Unser Hauptgeschäft findet in der ruhigen Zeit statt, zwischen Ende Oktober und Weihnachten. Dann renovieren viele Hotels ihre Zimmer und Bäder“, berichtet Adam. Schon sein Vater habe mit dem Tourismus viel Umsatz gemacht. „Damals wollten alle Hallenbäder haben“, erzählt der 46-Jährige, der auch im Stadtrat sitzt. „Heute sind es die Wellnessbereiche. Und auch der Bereich Barrierefreiheit hat richtig viel Potenzial.“ Nettes Detail am Rande: Hans-Jörg Adams Vater war als junger Mann aus dem Badischen nach Füssen gezogen, weil er „dort arbeiten wollte, wo andere Urlaub machen“, wie sich der Sohn erinnert. Eine Entscheidung, die sich gelohnt hat. Auch der Füssener Einzelhandel macht mit dem Tourismus gute Geschäfte.

Hans-Jörg Adam, Fliesen Adam, Füssen

Im Wellnessbereich gibt es viel zu tun. Auch die Barrierefreiheit hat viel Potenzial.

Hans-Jörg Adam, Fliesen Adam, Füssen
Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor, Füssen

Am Tourismus hängen unglaublich viele Gewerke.

Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor, Füssen

Hier blühen Geschäfte, die anderswo längst ausgestorben sind

Eine Ecke weiter hält in der zentralen Fußgängerzone, wo Urlaubende vor riesigen Eisbechern in der Sonne sitzen, Annette Gerstmeyr mit ihrer Schwester Elke Schwenger ein breites Sortiment an Bettwaren, Kissen, Nachthemden, Bademoden und Unterwäsche bereit. „Betten und Wäsche Schwenger“ – in dritter Generation familiengeführt und mit fachlicher Beratung vom Feinsten – ist ein Geschäft, wie es andernorts längst ausgestorben ist. „Durch die Touristen vor allem in den Sommermonaten wird unser Geschäft sehr gestützt“, sagt Gerstmeyr. „Bei uns statten sich die Zweitwohnungsbesitzer aus. Dann gibt es viele Gäste aus München oder Augsburg, die später oft eigens zu uns reisen, wenn sie etwas Bestimmtes brauchen.“ Umgekehrt müssten die zahlreichen einheimischen Stammkund*innen nicht in die nächste größere Stadt fahren, sondern hätten die gute Auswahl vor der Haustür.

Annette Gerstmeyr, Wäsche Schwenger, Füssen

Die Touristen schätzen unser breites Angebot und die gute Beratung.

Annette Gerstmeyr, Wäsche Schwenger, Füssen

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Georg Plinganser, Sanitärbetrieb, Pocking

Ohne Tourismus wären wir eine Geisterstadt.

Georg Plinganser, Sanitärbetrieb, Pocking
Matthias Moser, Metzgerei Moser, Bad Füssing

Ich beliefere Hotels, und die Gäste kaufen ihre Brotzeit bei mir.

Matthias Moser, Metzgerei Moser, Bad Füssing

© Anne Schüßler; Füssen Tourismus und Marketing/Andreas Hub, erlebe.bayern/Tobias Gerber, Annette Rübesamen (5), E. Plinganser GmbH; Gemeinde Bad Füssing; privat