Inhalt
{{postCount}} Die Landvermittler

Die Landvermittler

Die bayerischen Bäuer*innen betreiben nicht nur Landwirtschaft. Viele betätigen sich nebenbei auch touristisch – und tragen so zu mehr Achtsamkeit und Verständnis für die Natur und das bäuerliche Leben bei

Peter Meroth Autor

Die bayerischen Bäuer*innen betreiben nicht nur Landwirtschaft. Viele betätigen sich nebenbei auch touristisch – und tragen so zu mehr Achtsamkeit und Verständnis für die Natur und das bäuerliche Leben bei.

Die bayerischen Bäuerinnen und Bauern stehen mit beiden Beinen im Leben. Manche auch mit dreien. Anneliese Schöll in Rieggis-Waltenhofen zum Beispiel. Sie betreibt mit ihrem Mann Franz im idyllischen Ostallgäu einen Bio-Milchhof, eine Pferdezucht und vermietet fast ganzjährig sieben Ferienwohnungen. Die gehören zum Kern des Betriebs. Anneliese Schöll nennt sich selbst „Urlaubsbäuerin“. Bei Anderl Aigner sind die Schwerpunkte etwas anders gesetzt. Er hält auf seinem großen Hof im Chiemseegebiet 120 Tiere, vor allem Fleckvieh, bewirtschaftet zehn Hektar Wald und pflegt eine Hochalm, auf der die Aigners seit Generationen das Weiderecht besitzen. Gäste, die als Selbstversorgende auf der Alm Ferien machen, und Bergtourist*innen, die sich hier eine Stärkung gönnen, tragen nicht entscheidend zum Betriebsergebnis bei, aber sie beleben das Geschäft.

Vielfalt und Nachhaltigkeit zeigen

So ist es vielfach in Bayern. Die Landwirt*innen kümmern sich mit Leidenschaft um ihre Tiere, ihre Anbauflächen, ihre Wälder und Weingärten, aber sie freuen sich auch über Feriengäste, über Kundschaft im Hofladen, Wandernde auf ihren Almen, Weinkäufer*innen in der Vinothek. Sie managen nicht nur ihre Landwirtschaft, sondern auch kleinere, manchmal sogar größere Besucherprogramme. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zunächst einmal die Struktur der Landwirtschaft im Freistaat, wo sich im Unterschied zu Regionen in Ost- und Norddeutschland kaum Großgrundbesitz entwickelt hat. In Bayern gibt es rund 100.000 landwirtschaftliche Betriebe. „Fast alle sind familiengeführt“, sagt Eva-Maria Haas, „60 Prozent sind Nebenerwerbshöfe.“ Haas ist Geschäftsführerin und Sprecherin des Vereins „Unsere bayerischen Bauern“, in dem sich über 60 Organisationen zusammengefunden haben, um Verbraucher*innen nahezubringen, wie vielfältig, nachhaltig und anspruchsvoll die Tätigkeit der Bäuerinnen und Bauern ist. Sie weiß auch, dass die Landwirt*innen vor allem dann gut über die Runden kommen, wenn sie neben ihren Äckern noch weitere Geschäftsfelder beackern.

© Unsere Bayerischen Bauern, Fotograf: Gudrun Muschalla

Gleichzeitig ist Bayern in Deutschland das Urlaubsland Nummer eins. Besucherinnen lieben die abwechslungsreiche Landschaft, die kantigen, aber gastfreundlichen Menschen mit ihren staunenswerten Traditionen, die Kulturschätze und das gute Essen. Sie nehmen aus dem Allgäu einen Käse mit und aus dem Altmühltal vielleicht ein Schaffell. Gern auch einen Obstbrand, egal, ob sie zur Apfelblüte an den Bodensee kommen oder zur Kirschblüte in die Fränkische Schweiz.

Manchmal hilft der Blick von außen, um die Menschen auf die Schönheit ihrer Heimat hinzuweisen.

„Die Direktvermarktung macht zwar nur fünf Prozent des Geschäfts aus“, sagt Eva-Maria Haas. Aber der Tourismus habe noch einen anderen Effekt. Die Urlaubenden staunten zum Beispiel, dass es noch Streuobstwiesen gebe, märchenhaft wie bei Frau Holle. Viele begriffen, dass die Bäuerinnen große Mühen auf sich nähmen, um solche Landschaften zu pflegen. Die Bewunderung der Besuchenden bestärke die Landwirt*innen wiederum, die weniger rentablen Flecken zu erhalten. „Manchmal“, so Haas, „hilft der Blick von außen, um einen auf die Schönheit zu stupsen, die wir hier haben.“

Auf Kräuter und Gewürzpflanzen hat sich Frank Böhm spezialisiert. Die ganze Familie hilft mit, die 100 Hektar im mainfränkischen „Apothekerland“ zu bewirtschaften. „Aus einem Großteil der Ernte wird Tee gemacht“, sagt Böhm, „ein anderer wandert in die Weiterverarbeitung, etwa zu Naturheilmitteln.“ Doch auf Direktvermarktung will die Familie keinesfalls verzichten. Im eigenen Hofladen, der „Kräuterstube“, werden Gewürze und Tees verkauft, fachkundige Beratung inklusive. Und auch für Christine Pröstler, die 2013 in Retzbach bei Würzburg ihr eigenes Weingut eröffnete, war es keine Frage, dass auch eine Vinothek dazugehören sollte. Besucher*innen lieben es, den Wein direkt in der Kellerei zu verkosten und zu kaufen. Selbst Almbauer Anderl Aigner will künftig etwas stärker auf den Tourismus setzen. Einige Ferienwohnungen auf dem Talhof sind bereits in Planung. Für Eva-Maria Haas ein logischer Schritt: „Urlaub auf dem Bauernhof ist für unsere Landwirte ein wichtiges Standbein geworden.“

Erfahren Sie mehr über die Arbeit der Landwirt*innen.

© Unsere Bayerischen Bauern, Fotograf: Gudrun Muschalla