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Emmi in Bad Hindelang

App mit Emmi

Der Allgäuer Luftkurort Bad Hindelang hat zum Schutz von Natur und Lebensqualität ein Ruf-Elektrobussystem realisiert. Es soll den Individual- und Parksuchverkehr reduzieren – und lädt Gäste und Einheimische gleichermaßen zum Mitfahren ein

Lautlos gleitet ein weißer Elektro-Minibus durch die grünen Wiesen rund um Bad Hindelang. Er steuert abgelegene Ortsteile und Wanderparkplätze an, Arztpraxen und Mitarbeiterwohnungen, Bergbahnen und Restaurants. Die Fahrgäste? Es sitzen Wandersleute und Zimmermädchen im Minibus, Hotelgäste und Austragsbäuerinnen, Auszubildende und hungrige Feriengäste. Der Minibus hat keine Route und keinen Fahrplan. Er wird per App gerufen und fährt die Gäste und die Einheimischen „on demand“ dorthin, wo das Netz der Bahnen und Linienbusse nicht hinreicht. EMMI-MOBIL heißt der neue Mobilitätsservice, der seit Ende 2021 in dem heilklimatischen Kurort in Betrieb ist und den Transport auch ohne Vorbestellung in einem dicht geknüpften Netz von Haltestellen ermöglicht. Ein Benefit für Tourist*innen, die so autofrei anreisen oder vor Ort auf das Auto verzichten können. Vor allem aber ein großer Beitrag zur nachhaltigen Lebensraumgestaltung. Und zu mehr Lebensqualität für die Einheimischen.

Die Mobilität auf Nachhaltigkeitskurs bringen

Doch Linienbusse und Bahnen erreichen nicht jeden Winkel, jedes Hotel, jeden Wanderparkplatz. Genau diese „letzte Meile“ aber muss bekanntlich bedient werden, damit Urlauber*innen möglichst schon bei der Anreise aufs eigene Auto verzichten. Die Lösung für diese Herausforderung, wie sie in Bad Hindelang gefunden wurde,bringt jetzt nicht nur die Urlauber*innen auf den Wanderparkplatz. Der Mobilitätsservice EMMI-MOBIL (hinter dem Namen verbergen sich die Initialen von „EMissionsfrei. Miteinander. Individuell“) bringt vor allem auch den Bürger*innen weitreichendere Benefits als bei der Befragung erhofft – Mobilität und Lebensqualität haben sich für sie verbessert.

EMMI-MOBIL gilt als eines der am weitesten entwickelten Modelle der On-Demand-Mobilität in Bayern und Deutschland. Für Dr. Kathrin Bürglen, Leiterin von „Fahrtziel Natur“ – einer Kooperation der Umweltverbände BUND und NABU, des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) sowie der Deutschen Bahn – ist EMMI-MOBIL ein Vorzeige-Angebot. „Man ruft den Bus mit einem Klick auf die App. Man sieht auf dem Smartphone, wie der Bus näherkommt, das dauert im Schnitt acht Minuten. Dann heißt es nur noch Gäste- oder Bürgerkarte zücken, einsteigen, los geht’s.“

Bad Hindelang wirbt im Internet mit gut gemachten Videos, die Urlaubende im EMMI-MOBIL zeigen, für das Angebot. Ein hypothetischer weiterer Clip könnte zeigen, wie bei einer alten Dame das Telefon klingelt. „Du Oma“, meldet sich der Enkel. „Mein Auto springt nicht an. Ich kann dich heute leider nicht zum Doktor fahren.“ Die Oma bleibt gelassen. „Denk dir nichts, ich rufe Emmi an. Die weiß, wo ich wohne und wo ich hinmuss.“ Einheimische, die über 80 Jahre alt sind, dürfen den Kleinbus auch telefonisch bestellen, werden direkt vor der Haustür abgeholt und können drei häufig genutzte Zieladressen – Stichwort Arztbesuch – hinterlegen. Jüngere Hindelanger*innen hingegen sollen den Bus per App ordern. Mit der Bürgerkarte für 99 Euro haben sie ein Jahr lang freie Fahrt mit EMMI-MOBIL.

Insgesamt haben schon mehr als 18.000 Passagier*innen im ersten Betriebsjahr den Transportservice genutzt. 

Der Aufwand hat sich gelohnt: EMMI-MOBIL hat für Bad Hindelang schon zwei Tourismus- und zwei Klimaschutzpreise gewonnen

Max Hillmeier

Gäste- und Bürgerkarten als Dauertickets

Heute gibt es in ganz Bad Hindelang keinen Fleck, von dem eine EMMI-MOBIL-Haltestelle mehr als 100 Meter entfernt ist.“ Doch der Aufwand hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Und der ganzen Region Anerkennung gebracht, denn EMMI-MOBIL hat bereits vier Preise eingefahren. Zunächst den „Förderpreis Vitalpin Klimainvestment“ für das beste Klimaschutzprojekt im Alpenraum. 2022 wurde Bad Hindelang mit dem „Arge-Alp-Preis für innovative Klimaschutzprojekte“ ausgezeichnet. Es folgten die Bronzemedaille beim Deutschen Tourismuspreis und Silber beim ADAC-Tourismuspreis Bayern 2023. Vor allem aber freuen sich die Verantwortlichen, dass Gäste und einheimische Bevölkerung nun ein verlässliches, unkompliziertes Verkehrsmittel für Strecken, Stationen und Zeiten haben, in denen sie nicht auf den ÖPNV zurückgreifen können. Zuverlässig betrieben wird der Mobilitätsservice vom regionalen Busunternehmen „Komm mit“. „Die Kosten von 150.000 Euro pro Fahrzeug und Jahr sind hoch, aber bisher konnten wir sie aus dem Tourismushaushalt decken“, berichtet Hillmeier. Dazu gehört der Kurbeitrag der Gäste. Hinzu kommen die Jahresgebühren für die Bürgerkarte. Heute fährt EMMI-MOBIL von 8 bis 21.30 Uhr. Das hilft den Gästen beim Restaurantbesuch und den Jugendlichen im Ort, um zum Training oder zu den Proben im Musikverein zu kommen. „Leider“, resümiert Hillmeier, „gibt es in Bayern für Gemeinden aktuell kaum relevante Fördermöglichkeiten für derartige Projekte.“ Die Fahrgäste bleiben von solchen Sorgen verschont. Sie genießen das EMMI-Erlebnis und vergeben bei der Onlinebewertung im Schnitt 4,8 von 5 möglichen Punkten.

Allgäu Walser Card© Wolfgang B. Kleiner

Hier geht’s zu einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks über Emmi!

Rufbusse in Bayern, mit und ohne App

Neben EMMI-MOBIL gibt es in Bayern noch eine Reihe weiterer Buslinien oder ganzer Netze im Bedarfsverkehr. Zum Teil sind es Rufbusse, die an bestehende Haltestellen geordert werden können, aber manchmal bereits am Vortag oder zumindest längere Zeit vor der gewünschten Abfahrt telefonisch bestellt werden müssen. Wenige Regionen arbeiten mit Smartphone-Apps, darunter der Hofer Landbus, der seit April 2023 eine neue App hat.

Mit Rosi um den Chiemsee

Rund um den Chiemsee macht Rosi die Menschen mobil. Seit Mai 2022 verkehren fünf Elektrobusse in und zwischen elf beteiligten Gemeinden von Bad Endorf im Norden über Prien bis Aschau im Süden. Mehr als 600 Haltestellen hat Rosi im gesamten Gebiet, in Bad Endorf sind es allein 110. Während die Urlaubenden mit ihrer Gästekarte die üblichen Buslinien nutzen können, fällt für den Rosi-Service eine Gebühr an, gestaffelt nach Fahrtstrecke, in Zone 1 (bis vier Kilometer) sind es 2,50 Euro, in Zone 4 (bis sechs Kilometer) 6 Euro. Auch mit App müssen die Elektrobusse, anders als EMMI-MOBIL in Bad Hindelang, vorbestellt werden.

© Wolfgang B. Kleiner