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{{postCount}} Wir zeigen euch, wo’s langgeht
Einsatz im Gelände: Die Vollzeit- Ranger Alexander Römer (l.) und Andreas Köpferl mit Almbauer Georg Kittenrainer

Wir zeigen euch, wo’s langgeht

Besucherlenkung, aber wie? Mit „Umweltbaustellen“ und der Hilfe von Ranger*innen will der Landkreis Miesbach Bergbesucher*innen sensibilisieren. Und auf den richtigen Weg bringen

Nebel hängt im Tal. Oben auf dem Berg ist es zwei Grad kalt. „Alles was Nadeln hat, kann weg! Und wer sich unsicher ist, was abgesägt werden soll, der fragt mich“, ruft Florian Bossert den Männern und Frauen zu. Es sind Mitglieder der Sektion München des Deutschen Alpenvereins (DAV). Mit Sägen und Astschneidern sind sie an dem steilen Berghang zugange. Baumäste werden über die Buckelwiese gezogen und zu einem Haufen geschichtet. Auf der Stockeralm im oberbayerischen Mangfallgebirge wird heute geschwendet. Zugewachsene Flächen werden freigelegt, um Weideflächen zu erhalten. Gleichzeitig wird durch das Schwenden aber auch die heimische Artenvielfalt bewahrt, die sich auf den beweideten Freiflächen entwickelt hat. Denn wenn Weiden zuwuchern, verlieren diese Tiere ihren Lebensraum. Beim Schwenden auf der Stockeralm geht es vor allem um das Habitat für 30 verschiedene Schmetterlingsarten, allen voran den Thymian-Ameisen­bläuling. „Schmetterlinge“, sagt Bossert, „reagieren äußerst sen­sibel auf Veränderungen in der Natur.“

Wir müssen den Leuten klar machen, dass die Natur kein Outdoor-Fitnesszentrum zum Training ist, sondern ein sensibler Lebensraum für Tiere und Pflanzen

Die Bergbesucher sollen sensibilisiert werden

Florian Bossert arbeitet für den Landkreis Miesbach als Gebietsbetreuer des Mangfallgebirges. Die Durchführung sogenannter „Umweltbaustellen“ gehört zu seinen wichtigsten Aufgaben. Sieben bis acht Schwende-Umweltbaustellen finden jeden Herbst statt. Dass freiwillige Helfer*innen die Arbeit machen, verfolgt ein bestimmtes Ziel: Bergbesucher*innen sollen für die Problematik der Naturräume sensibilisiert werden. Denn immer mehr Menschen zieht es in ihrer Freizeit in die Natur. Doch viele Menschen haben längst das Verständnis für die Natur und ihre Zusammenhänge verloren. Sie bewegen sich abseits der ausgeschilderten Wege, lassen Müll zurück, schrecken Wildtiere auf und schaden damit der Natur. Hier soll die Besucherlenkung greifen. Denn die Menschen sollen ja nicht von den Bergen ferngehalten werden. Sie sollen vielmehr auf den richtigen Weg gebracht werden, sprich lernen, rücksichtsvoll und sensibel in der Natur unterwegs zu sein. Die Schwendaktion ist in Bosserts Augen ein wichtiger Beitrag dazu: „Wer mit angepackt hat, schätzt die Artenvielfalt und versteht, warum es Rückzugsgebiete für Wildtiere braucht.“

Rama dama: Beim Freiräumen der Weiden ist viel Schmalz gefragt. So werden Lebensräume geschützt.© Andreas Weise
Rama dama: Beim Freiräumen der Weiden ist viel Schmalz gefragt. So werden Lebensräume geschützt.© Andreas Weise
Auch wichtig für die Besucherlenkung sind gut ausgeschilderte Wege© Andreas Weise
Der Almbauer hat eine Brotzeit spendiert. Florian Bossert (links) erklärt den Helfer*innen, wie es nach der Pause weitergeht© Andreas Weise
Sensibler Lebensraum für Tiere und Pflanzen© Andreas Weise
Florian Bossert, Gebietsbetreuer im oberbayerischen Mangfallgebirge© Andreas Weise
Wander*innen im Mangfallgebirge: Je mehr sie über die Natur wissen, desto eher akzeptieren sie Einschränkungen© Andreas Weise

Seit drei Jahren plant Florian Bossert Schwendaktionen mit dem DAV. Mittlerweile stellt auch die Bergwacht Freiwillige, oder Bergsportanbieter nützen ihren Betriebsausflug, um die Projekte zu unterstützen. Weil die Helfer*innen die Projektidee weitertragen und ihre Mitmenschen aufklären, werden insgesamt sogar deutlich mehr Menschen angesprochen. Auf der Stockeralm ist Bossert übrigens nicht alleine aktiv. Auch die beiden Ranger Alexander Römer und Andreas Köpferl sind mit von der Partie. Die beiden wurden im Sommer 2021 vom Landkreis Miesbach fest angestellt, um „dem Erholungsdruck und den Nutzungskonflikten in unserer Natur entgegenzuwirken“, wie das Landratsamt es formuliert. Die Aufgabe der Ranger ist die praktische Besucherlenkung im Gelände.

Artenvielfalt ist auch für den Tourismus wichtig. Deshalb verfolgen Naturschutz und Tourismus letztlich dieselben Ziele

Oft reagiert das Wandervolk dankbar auf Aufklärung. Vor allem am Wochenende sind die beiden unterwegs – zur Kontrolle und zur direkten Ansprache der Besucher*innen. „Verbote allein bringen wenig“, sagt Alexander Römer. „Man muss sie erklären. Den Wildcamper*innen sagen, dass sie das Raufußhuhn vertreiben, wenn sie hier Feuer machen. Es ist schön zu erleben, wenn die Leute die Zusammenhänge begreifen. Oft beginnen ihre Augen richtig zu leuchten. Sie sind geradezu dankbar.“ Auch heute kommen immer wieder Wanderer*innen vorbei und wollen wissen, was denn da los ist auf der Stockeralm.

Das Mangfallgebirge ist beliebt bei Bergsportler*innen.

Bis zu 10.000 Menschen können an schönen Tagen am Spitzingsee unterwegs sein. Vor allem im Winter ist das ein Problem. Sobald der erste Tourengeher, Schneeschuh- oder Winterwanderer*innen eine Spur ins sensible Gelände gelegt hat, denken die nächsten, das sei der normale Weg. Auch, weil viele Menschen sich heute auf GPS-Tracks verlassen und gar keine analogen Karten mehr lesen können. Florian Bossert arbeitet daher auch an einem überregionalen Besucherlenkungskonzept, das eine einheitliche Beschilderung der Wanderwege vorsieht. Die Sensibilisierung für die Natur ist Bosserts größtes Anliegen. Sein Wunschprojekt: Umweltstationen, an denen den Besucher*innen klar wird, dass sie sich in einem Schutzgebiet befinden und warum es das Schutz­gebiet gibt. „Wir müssen klar machen, dass die Natur kein Outdoor-Fitnesszentrum ist, sondern ein sensibler Lebensraum für Tiere und Pflanzen.“ Bossert schätzt, dass 90 Prozent der Besucher*innen Verständnis hätten für Einschränkungen. „Artenvielfalt ist auch für den Tourismus wichtig“, sagt er dann. „Natur­schutz und Tourismus verfolgen dieselben Interessen. Deshalb können wir gut zusammenarbeiten.“


Besucherlenkung in der Natur

GEBIETSBETREUER*INNEN

Mit seinen „Gebietsbetreuerinnen für nachhaltige Entwicklung der Umwelt“ nimmt Bayern bundesweit eine Vorreiterrolle ein. 68 solcher Betreuerinnen arbeiten für mittlerweile 56 Schutzgebiete im ganzen Freistaat. Sie sollen Schnittstelle zwischen Naturschutz und Mensch sein, sollen informieren – und durch Begeisterung die Akzeptanz der Menschen gegenüber Naturschutzmaßnahmen steigern. Dahinter stehen die Stiftung Bayerischer Natur-schutzfonds und zahlreiche lokale Träger. gebietsbetreuer.bayern

NATURBIKEN

Ein neues, knapp 800 Kilometer langes Wegenetz für Mountainbiker zwischen Bodensee und Tirol holt Bikerinnen auf Forstwege und sichere Routen zurück, auf denen sie die Bergnatur genießen können, ohne sie zu stören. allgaeu.de

BAYERN AUSFLUGSTICKER

Seit März 2021 online. Hilft, durch die Zusammen-führung aktueller Daten und Informationen Besucherströme zu entzerren. Informiert über Auslastungen, zeigt Alternativen auf und verbessert dadurch Umweltschutz und Erlebnisqualität. ausflugsticker.bayern

Naturpark Nagelfluhkette© Dietmar Denger

Text: Laura Ehrhardt | Fotos: Andreas Weise