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{{postCount}} Urlaub ohne Auto? Läuft!

Urlaub ohne Auto? Läuft!

Wie ist das, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu verreisen? Sich ganz auf Bahn und Bus zu verlassen? Unser Autor Stefan Nink hat es ausprobiert – ein Selbstversuch von Mainz in den Bayerischen Wald. Und wieder zurück

Stefan Nink Autor

Herr Schmittgen fährt nach Passau. Zum Wandern. Macht er jedes Jahr, einmal im Frühling, einmal im Herbst. Im Sommer bleibt er lieber zu Hause in Dortmund, „Sie glauben ja gar nicht, wie schön grün es dann bei uns im Ruhrgebiet ist!“ Herr Schmittgen sitzt mir gegenüber, in einer dieser ICE-Vierersitzgruppen, in denen man sich kommunikativ einen Tisch teilt. Als ich morgens in Mainz meinen Rucksack in die Gepäckablage gehievt habe, aß er gerade ein belegtes Brot. Weil er mehrere dabei hatte, bot Herr Schmittgen mir eines an. „Und wohin fahren Sie?“In den Bayerischen Wald fahre ich. Von Mainz in die Schnitzmühle, ein Hotel mit Campingplatz in der Nähe von Viechtach und der Grenze zu Tschechien.

Mit der Bahn dauert es mit zwei Umstiegen 5:38 Stunden zur Schnitzmühle. Klingt gut

© Stefan Nink
Und draußen gleitet die Welt vorbei: Bahn-Urlauber Stefan Nink im ICE nach Plattling

450 Kilometer und 13 Autobahnbaustellen? Dann lieber mit der Bahn

Mit dem Auto sind das laut Google Maps 450 Kilometer. Und 13 Autobahnbaustellen. Schon der Gedanke stresste mich. Außerdem wollte ich autofreien Urlaub immer schon mal ausprobieren. Hin und zurück mit der Bahn und auch vor Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ob das funktioniert? Die Navigator-App der Deutschen Bahn bereitete mich auf eine Reisezeit von fünf Stunden und 38 Minuten vor. Zweimal umsteigen inbegriffen. Das klang machbar. Ich buchte ein Zugticket und packte mein neues Buch ein. Jetzt sitze ich mit Herrn Schmittgen im ICE und sehe zu, wie draußen vor dem Fenster die malerischen Landschaften Frankens vorbeiziehen. Hübsch sieht das aus und so erholsam, dass ich mein Buch sinken lasse und irgendwann einnicke. Und auf einmal sind wir schon fast in Plattling. Von dort geht es mit der Regionalbahn weiter. Für mich jedenfalls. Herr Schmittgen fährt gut gelaunt weiter nach Passau. Dass wir uns unterwegs 40 Minuten Verspätung eingehandelt haben, ist für regelmäßig Bahnfahrende vermutlich nicht so furchtbar überraschend. Leider ist damit halt auch der Anschluss nach Gotteszell weg. Ist aber nicht weiter schlimm: Weil die regionale Waldbahn im Stundentakt in den Bayerischen Wald fährt, reicht die Wartezeit in Plattling für einen Kaffee und eine schöne Butterbrezn.

Der ICE hält in Plattling. Von dort geht es mit der Regionalbahn weiter

Genau das Richtige, um sich schon mal kulinarisch zu akklimatisieren. Pünktlich auf die Minute geht es dann weiter, zusammen mit etlichen anderen Urlaubsgästen. Offenbar bin ich nicht als Einziger auf die Idee mit der Bahnanreise gekommen. In Gotteszell angekommen, wartet am Gleis gegenüber schon der Anschlusszug, und eine halbe Stunde später steige ich am Ziel aus.

Perfekt angebunden: Vom „Bedarfshalt Schnitzmühle“ sind es keine 100 Meter bis zur Hotelrezeption

Der „Bedarfshalt Schnitzmühle“ ist quasi die Privathaltestelle meines Hotels. Bis zur Rezeption sind es keine 100 Meter. „Das funktioniert ziemlich gut“, sagt Inhaber Kristian Nielsen, vor allem die Haltestelle vor der Tür sei ein Segen. „Wenn es regnet, stehen wir da mit dem Schirm und holen die Gäste ab.“ Wer in der Schnitzmühle oder an einem anderen von insgesamt 40 Orten in der Region übernachtet, bekommt beim Check-in (oder auch vorher per E-Mail) das GUTi-Ticket ausgehändigt: Mit dem kann man schon seit 2010 während des Urlaubs sämtliche Bahnen und Busse in der Region kostenlos nutzen. „Die fahren alle absolut pünktlich nach Fahrplan. Und es gibt keinen Ort in der Region, in den kein Bus fährt“, begeistert sich mein Gastgeber. Am nächsten Tag probiere ich es selbst aus: Von der Schnitzmühle mit dem Zug nach Gotteszell, Umstieg, Stopp in Regen, weiter nach Zwiesel, später weiter nach Bodenmais, von dort mit dem Bus in einem großen Bogen nach Viechtach, von dort mit der Waldbahn zurück zur Schnitzmühle: alles reibungslos, alles pünktlich, alles ohne nennenswerte Wartezeiten. Zwischendrin habe ich in Regen Kunst im Park bestaunt, in Zwiesel ein Eis gegessen und in Bodenmais einen Spaziergang durch den Ort gemacht.

In der Waldbahn macht die Schaffnerin auch gleich die Reiseführerin

Und immer wieder aus Bus- und Bahnfenstern geschaut und gestaunt, was für grandiose Landschaften der Bayerische Wald zu bieten hat. In der Waldbahn weist die Zugbegleiterin sogar auf besonders schöne Panoramen hin, die sich mal links, mal rechts auftun. „Jetzt wissen Sie, warum dieses Tal Bayerisch Kanada genannt wird. Und ich darf es jeden Tag mehrmals ansehen!“

© Stefan Nink
© Stefan Nink
© Christiane Würtenberger
© Stefan Nink
© Stefan Nink

Dass man mit dem Auto in den Urlaub fährt, ist viel zu fest in den Köpfen der Menschen verankert

Trotzdem: Die meisten Urlaubenden kommen nach wie vor mit dem Auto. Die Umstellung auf neue Mobilitätskonzepte werde länger dauern, ahnt Kristian Nielsen; dass man mit dem Auto in die Ferien fahre, sei viel zu fest in den Köpfen verankert. Vor allem ältere Gäste muteten sich eher viele 100 Kilometer zugestaute Autobahn zu, als in einen Zug zu steigen.

Mein Gastgeber würde mein Gepäck sogar am DB-Bahnhof abholen

Dabei würde Nielsen die Koffer und Taschen seiner Gäste auch am nächsten DB-Bahnhof abholen, bis dorthin könne man sein Gepäck ja vorausschicken. „Dann steht es schon im Zimmer, wenn die Leute ankommen.“ Ebenfalls im Zimmer: ein Tablet, auf dem die Zugabfahrtszeiten der nächsten Stunden angezeigt werden. Bei Fragen hat die Rezeption auch Tipps und Fahrpläne zum Mitnehmen. Und weil Hunde nur mit Maulkorb in die Waldbahn dürfen, gibt es die zum Ausleihen. Am Abreisetag hält die Waldbahn morgens pünktlich an der Haltestelle vor der Hoteltür. Und bietet neben einwandfreiem Anschluss auch menschlichen Kontakt zum Zugpersonal: Die Zugbegleiterin hat Kopfschmerzen. „Liegt garantiert am nassen Wetter. Morgen soll es besser werden.“

Der Umstieg in Gotteszell funktioniert wieder reibungslos

Der Umstieg in Gotteszell funktioniert reibungslos, aber kurz vor Plattling schickt der DB-Navigator auf dem Smartphone eine Mitteilung: Der ICE von Passau Richtung Mainz hat eine Viertelstunde Verspätung. Und ein geschlossenes Bordrestaurant, wie ich später feststellen werde. Es gibt Schlimmeres, denke ich mir, packe meine Butterbrezn vom Plattlinger Bahnhof aus und lehne mich zurück. Schön war’s mit der Bahn in Bayern.

© Stefan Nink
DAS GUTI-TICKET: GRATIS UND GRENZENLOS

Bis tief nach Tschechien

Das GUTi-Ticket ermöglicht es Urlaubsgästen im Bayerischen Wald, ein ausgedehntes und eng getaktetes Netz an Bus- und Bahnverbindungen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet zu nutzen – und das komplett kostenlos. Die vielfältigen grenzübergreifenden Möglichkeiten machen das Ticket so besonders: Anders als bei ÖPNV-Angeboten in anderen Ferienregionen endet die Gültigkeit des GUTi-Tickets nicht im ersten oder zweiten Ort hinter der Grenze; wer will, kann mit ihm zum Beispiel auch den Nationalpark Šumava oder Städte wie Domažlice und Klatovy erkunden (das GUTi-Gebiet auf tschechischer Seite ist größer als das auf der bayerischen!). Radfahrenden bietet es die Möglichkeit für lange Touren, z. B. auf dem Nationalpark-Radweg von Bayerisch Eisenstein über Spiegelau nach Finsterau und weiter nach Kvilda (der Radtransport ist im GUTi nicht inbegriffen). Für Urlaubsgäste funktioniert das System ganz einfach: Sie bekommen das Ticket beim Check-in in Hotel oder Pension und zeigen es anschließend bei jeder Bus- oder Bahnfahrt vor.

Die Basis: der ÖPNV

Auf deutscher Seite verbindet der ÖPNV alle wesentlichen Urlaubsorte im Bayerischen Wald miteinander. Besonders beliebt ist GUTi bei Wanderern und Wanderinnen, die Abschnitte von Fernwanderwegen entdecken wollen, also nicht auf einem Rundweg zum Ausgangspunkt zurückkehren. Strecken durch den Nationalpark Bayerischer Wald – z. B. von Ludwigsthal nach Bayerisch Eisenstein – oder über den Gläsernen Steig von Frauenau über Spiegelau nach Grafenau sind so problemlos möglich. GUTi basiert auf regulären ÖPNV-Verbindungen, die in der Saison mit Wander- und Skibussen verdichtet werden. Es gibt keine extra Urlauber-Busse; GUTi ist vielmehr ein Fahrschein für etwa 400 bestehende Linien. Die deutsch-tschechische Fahrscheinkooperation mit den Regionen Pilsen und Südböhmen gibt es seit Sommer 2023; GUTi selbst ging bereits 2010 an den Start.

Geschichte und Finanzierung

GUTi startete 2010 in den Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau mit dem ÖPNV-Angebot von sechs Verkehrsunternehmen. Von Anfang an war auch der Zug integriert. GUTi umfasste somit bereits ca. 100 Linien. 2023 schlossen sich die Tarifgemeinschaften in Freyung-Grafenau und Regen mit der Verkehrsgemeinschaft Landkreis Cham zusammen; man kam auf 200 Linien. Später kam es zur Tarifgemeinschaft mit dem Böhmerwald in Tschechien; GUTi gilt seither auf 400 Linien. Finanziert wird das Ticket über ein pauschales Umlagesystem. Für jeden Übernachtungsgast in den teilnehmenden Orten wird ein festgelegter Umlagebetrag erhoben. Die Registrierung der Übernachtungen erfolgt über ein elektronisches Meldesystem, mit dem auch die Gästekarten ausgestellt werden. Nur für registrierte Übernachtungen wird die Gästekarte ausgedruckt. Was die Erweiterung nach Tschechien betrifft, so wurde das bestehende Bayerwald-Tagesticket zum Bayerwald-Tagesticket + CZ und bildet nun die Tarifgrundlage für die GUTi-Anerkennung in Tschechien.

Vorteile und positive Effekte

GUTi war und ist ein voller Erfolg. Gäste in den beteiligten Tourismusgemeinden (bzw. deren Beherbergungsbetriebe) lieben das Ticket, weil sie ohne weitere Kosten im Bayerischen Wald unterwegs sein können. Tatsächlich wird der ÖPNV zum Marketinginstrument und schafft ein Alleinstellungsmerkmal für die Region. Für die Verkehrsunternehmen bedeutet GUTi kalkulierte Fahrgeldeinnahmen. Die wiederum helfen dabei, das bestehende Verkehrsangebot  zu sichern – davon profitiert auch die Wohnbevölkerung des Bayerischen Walds.

So kann es gelingen

Regionen, die über ein ähnliches System nachdenken, geben die GUTi-Machenden Tipps mit auf den Weg: Man solle Kompromisse eingehen zwischen Wunsch und Finanzierbarkeit. Weil die Betriebskosten niemals nur mit Fahrgeldeinnahmen erwirtschaftet werden können, müssen die Landkreise zur Kofinanzierung bereit sein. Aufgrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Landkreis, Kommunen und Verkehrsbetrieben konnte GUTi schnell und ohne externe Gutachten umgesetzt werden. Die GUTi-Machenden gehen davon aus, dass durch ihre Idee jährlich mindestens sechs Millionen Autokilometer für Ausflüge während des Urlaubs eingespart werden. Das entspricht einer CO2-Einsparung von 850 Tonnen pro Jahr.

Erfahren Sie hier mehr über nachhaltiges Reisen im Bayerischen Wald.

© Stefan Nink (3); Samuel/stock.adobe.com (1); Stefan Nink (2); Christiane Würtenberger/CMR (1); Stefan Nink (3)