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{{postCount}} „Wir brauchen nahtlose Anschlüsse bis zur letzten Meile“

„Wir brauchen nahtlose Anschlüsse bis zur letzten Meile“

Der deutsche Incoming-Tourismus legt wieder kräftig zu. Doch wie sind eigentlich die Gäste aus dem Ausland unterwegs? Und wie bleibt das Reiseland Deutschland in Sachen Mobilität attraktiv? Petra Hedorfer von der Deutschen Zentrale für Tourismus im Interview

© DZT / Farideh Diehl
Petra Hedorfer ist Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Die DZT kümmert sich im Auftrag der Bundesregierung um die internationale Vermarktung des Reiselands Deutschland im Ausland. Sie befasst sich aber auch mit Wissenstransfer, gibt eigene Studien in Auftrag und wertet neueste Erkenntnisse aus.

Was sind die wichtigsten Quellmärkte für das Reiseland Deutschland? Und wie viele ausländische Gäste reisen nach Bayern?

Der deutsche Incoming-Tourismus wächst nach Corona wieder kontinuierlich und erreichte 2023 bereits wieder 90 Prozent des Vorkrisenniveaus. Die Ausländerübernachtungen (+18,8 % ) wuchsen dabei mehr als doppelt so stark wie der gesamte Markt (+8,1 %). Die wichtigste Quellregion für uns ist traditionell Europa, besonders unsere Nachbarländer Niederlande und Schweiz. Es folgen die USA als wichtigster Überseemarkt (8,1 %). Dahinter kommen Großbritannien, Österreich, Polen und Frankreich. Bayern steht  bei den ausländischen Gästen an der Spitze: 19,5 Millionen internationale Übernachtungen wurden 2023 im Freistaat gezählt.

Wie reisen die ausländischen Gäste nach Deutschland?

Bei den Reisen der Europäer nach Deutschland im Jahr 2023 dominierte nach einer Studie von IPK International mit 45 % eindeutig der Pkw. Gut ein Drittel reiste im Flugzeug als primäres Verkehrsmittel an, elf Prozent kamen mit der Bahn und sieben Prozent mit dem Bus. Bei Reisenden aus Übersee sieht das natürlich anders aus. Die meisten kommen per Flugzeug. Bahn, Bus oder Mietwagen spielen hier nur bei Multi-Destinations-Trips eine Rolle, wenn etwa eine Rundreise durch Europa in einem anderen europäischen Land beginnt.

Wie bewegen sich die internationalen Gäste durch Deutschland?

Das dwif hat für das Jahr 2022/2023 ermittelt, dass 53% der ausländischen Gäste an ihrem Übernachtungsort den ÖPNV benutzen. 45% nehmen den Pkw, 18% die Bahn und 15% ein Taxi. 85% gehen außerdem zu Fuß.

Bei Reisenden aus dem Ausland gewinnt die Bahn am stärksten hinzu

Zeichnen sich bei Anreise und „Binnen-Mobilität“ bestimmte Tendenzen ab?

Wenn wir das Jahr 2023 mit dem Vorkrisenniveau vor 2019 vergleichen, ist laut IPK die Bahn die Gewinnerin bei den Anreisen: Ihr Marktanteil steigt unter allen Verkehrsmitteln am stärksten – von neun auf elf Prozent. Auch die Airlines verzeichnen leichte Gewinne. Das hat Folgen für die Mobilität der Reisenden vor Ort. Da geht der Trend in Richtung ÖPNV und Bahn. Unterm Strich gibt es also leichte Verschiebungen in Richtung klima- und umweltschonender Mobilität.

Gibt es bei Anreise und „Binnen-Mobilität“ Unterschiede zwischen Urlaubs- und Geschäftsreisen?

Ja, eindeutig. International fliegen Geschäftsreisende häufiger und steigen dann am Airport direkt ins Taxi. Bei internationalen Geschäftsreisen nach Deutschland lag der Anteil der Flugreisenden im Jahr 2023 bei 65% und damit fast doppelt so hoch wie beim Gesamtdurchschnitt aller Reisenden, der Pkw wird laut IPK mit 22% nur halb so häufig genutzt.

Wie nehmen ausländische Reisende die Mobilität in Deutschland wahr?

Wir haben da die aktuellen Zahlen aus dem Travel and Tourism Development Index 2024 (TTDI). Diesen Report erstellt das World Economic Forum alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der University of Surrey. Er analysiert die Reise- und Tourismusbranche von 119 Ländern zu unterschiedlichen Faktoren. Was sein allgemeines touristisches Angebot betrifft, liegt Deutschland im TTDI 2024 mit fünf von sieben möglichen Punkten auf dem sechsten Platz unter 119 verglichenen Nationen. Die Verkehrs- und Hafeninfrastruktur erhält die Punktzahl 5,34 (Platz acht). Die Verkehrsanbindung wurde von ausländischen Gästen im Jahr 2022/23 auf einer klassischen Schulnotenskala mit 2,07 bewertet.

Wie wichtig ist nachhaltige Mobilität für die ausländischen Gäste?

Die Nachhaltigkeit gewinnt im Mindset internationaler Gäste auch in Sachen Mobilität an Bedeutung. So wurden die nachhaltigen/alternativen touristischen Mobilitätsangebote im Qualitätsmonitor Deutschland bis zum Oktober 2023 mit einer 2,2 bewertet. Im Jahr zuvor lag die Benotung noch bei 2,38.

Wie kann Deutschland in puncto Mobilität für internationale Gäste langfristig attraktiv bleiben?

Wir sind wettbewerbsfähig aufgestellt, aber die Anforderungen an Mobilität verändern sich schnell. Bisher reden wir in etwa vom Modal Split. Das Augenmerk für die Zukunft muss aber viel mehr auf der Intermodalität zwischen Verkehrsträgern liegen. Auf der Seamless Connectivity der Verkehrsnetze vom Airport zum ICE-Netz und bis in die Regionen, bis zur „letzten Meile“ mit E-Bike oder E-Scooter. Zu nahtlosen Anschlüssen gehört auch das „One-Stop-Shopping“ bei der Planung und Buchung verschiedener Verkehrsträger. Die Bahn hat hohen Investitionsbedarf, um den Umstieg auf die klima- und umweltfreundliche Schiene zu ermöglichen.

Stabile Fahrpläne, Pünktlichkeit und ein leicht verständliches, einheitliches Tarifsystem sind für unsere internationalen Gäste wichtig. Das Deutschlandticket ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber nicht für alle Gäste aus dem Ausland verfügbar. Damit sich auch auf der Straße E-Mobilität durchsetzt, brauchen wir mehr Ladeinfrastruktur. Großes Potenzial sehe ich beim Thema „ÖPNV on demand“, wo sich Kundennähe und Rentabilität verbinden. Der gemeinsame Schlüssel zu einer erfolgreichen Realisation all dieser Projekte ist die digitale Transformation – von flächendeckendem Internet über strukturierte Daten im Knowledge Graphen bis hin zu KI-Anwendungen in innovativen Geschäftsmodellen.

© DZT / Farideh Diehl