Inhalt
{{postCount}} Alles in Bewegung

Alles in Bewegung

Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Zukunftsforscher Dr. Stefan Carsten hat vier große Themen ausgemacht, die künftig wichtig werden könnten – Microsharing, Mobility Hubs, Free Access und eine neue Mentalität namens „Spiel der Möglichkeiten“. In diesem Essay erklärt er, was dahintersteckt

Dr. Stefan Carsten Zukunftsforscher und Stadtgeograf
Kurz und knackig: Dr. Carstens Mobilitätstrends

„Spiel der Möglichkeiten“
Die Betrachtungsweise von Mobilität als flexible Kombination der jeweils am besten geeigneten Verkehrsmittel – abhängig von der Situation, nicht von Grundsatzentscheidungen für oder gegen ein bestimmtes Verkehrsmittel.

Microsharing
Immer mehr setzen Menschen auf das Teilen von Verkehrsmitteln wie Fahrrädern, E-Scootern, Autos etc. Das ist smart und nachhaltig und setzt sich nach den Großstädten immer stärker auch auf dem Land durch.

Mobility Hubs
Orte (oder Gebäude), in denen Menschen zwischen verschiedenen Transportmitteln wechseln. Die zugleich aber auch Dienstleistungen anbieten und Stätten der Begegnung sind. Für Gäste und Einheimische gleichermaßen attraktiv.

Free Access
Die einfache, einladende und flexible Gestaltung von Mobilitätsangeboten als Schlüssel zu einem zukunftsfähigen öffentlichen Verkehrssystem.

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Und das in fast allen Bereichen. Wir kaufen im Internet ein, lassen uns von Chatbots bei unseren Reiseentscheidungen beraten, bilden uns das ganze Leben lang weiter, ernähren uns nach gesundheitlichen Kriterien, nehmen an Konferenzen in der ganzen Welt teil – und das sogar virtuell. All das wäre vor 50 Jahren noch völlig undenkbar gewesen. Doch inmitten dieser radikal transformierten Welt ist ein Aspekt nahezu unverändert geblieben. Und das ist die Bedeutung, die wir dem Auto beimessen. Die Art und Weise, wie es unsere Gesellschaft prägt. Und ebenso den öffentlichen Raum.

Das ist erstaunlich. Denn der Autoverkehr steht mehr als jede andere Mobilitätsform für negative Begleiterscheinungen wie Emissionen, Lärm und Abgase, Flächenversiegelung und Stress, die gerade auch in touristischen Destinationen einen Standortnachteil darstellen. Denn hier suchen die Menschen Ruhe, gute Luft, eine unversehrte Natur und Erholung. Es stellt sich also die Frage: Wird das Auto auch weiterhin eine so große Bedeutung haben? Oder gibt es Zeichen für einen Neuanfang, für eine echte Transformation, welche die Mobilität, die Gestaltung von öffentlichen Räumen und die gesellschaftliche Teilhabe gleichermaßen umfasst? Die Antwort lautet: ja – auch wenn wir vielerorts noch sehr am Anfang dieses Prozesses stehen.

Mobilität bedeutet Beweglichkeit, Auswahl und Alternativen

Der gesellschaftliche Transformationsprozess verändert nicht nur das Gesicht von Städten und Regionen; er verändert auch die Anforderungen in Bezug auf Mobilität und Tourismus. Neue Mobilitätsangebote und neue Mobilitätsräume, die eben nicht nur aus Autostraße, Parkplatz und Fußgängerzone bestehen, werden deshalb zum neuen Standortfaktor. Das große Ziel dahinter ist, eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität zu erreichen. Denn wo heute noch Autos parken, stehen künftig Fahrräder, E-Scooter oder einfach eine Bank zum Ausruhen.

Die alten Erkenntnisse über den Verkehr gelten schon lange nicht mehr

Tankstellen werden zu Mobility Hubs – zu Orten also, an denen viele Mobilitätsangebote örtlich aufeinandertreffen. Die außerdem als Schnellladestationen und Kulturlocation fungieren. Es entstehen so Räume, in denen Gäste und Einheimische zusammenkommen. Einzigartige Erholungs-, Begegnungs- und Erlebnisorte.

Wie also sieht die Mobilität der Zukunft aus, worauf kommt es künftig an? Microsharing, Mobility Hubs und Free Access werden entscheidende Rollen spielen. Dazu kommt eine neue Mentalität, ein Verhaltensmuster, das ich „Spiel der Möglichkeiten“ nenne. Diese Begriffe möchte ich Ihnen im Nachfolgenden näher vorstellen.

1

„Spiel der Möglichkeiten“

Was die Mobilität der Zukunft auszeichnen wird, ist eine bisher ungekannte Vielfalt. Früher einmal sah traditionelles Mobilitätsverhalten etwa so aus, dass man mit dem Bus zur Arbeit fuhr, am Wochenende mit dem eigenen Auto in die Berge reiste und für die kurzen Wege zwischendurch das Fahrrad aus der Garage holte. Wer kein Auto hatte, bediente sich der öffentlichen Verkehrsmittel.  Alternativen dazu waren kaum vorstellbar. Heute gibt es jedoch eine ganze Reihe weiterer Mobilitätsangebote, die von Sharing-Diensten über digital organisierte Fahrgemeinschaften bis hin zu Rufbussen reichen. Das Angebot zur Fortbewegung ist groß und vielfältig. Trotzdem ändert sich das Mobilitätsverhalten der Menschen nur sehr langsam. Woran das liegt? Daran, dass die Menschen im wahrsten Wortsinne erst erfahren müssen, was diese vielfältige Mobilität für sie persönlich für Möglichkeiten bereithält. Die Angebote sind zwar schon da, doch die Menschen müssen ihre eigenen Bedürfnisse erst kennenlernen. Neue Möglichkeiten wie zum Beispiel Sharing-Angebote nehmen sie zunächst ungläubig zur Kenntnis, probieren sie dann vorsichtig aus und übernehmen sie irgendwann in ihren Alltag. Das dauert.

Dieses Verhalten gilt jedoch nicht für die jungen Generationen. Die Generation Z etwa definiert Mobilität als Flexibilität und Unabhängigkeit. Anders als die älteren Generationen identifizieren diese jungen Menschen diese Werte jedoch nicht zwangsläufig mit dem Auto.

Die jungen Generationen denken in flexibler Mobilität

Sie verstehen darunter vielmehr die Möglichkeit, in jeder Situation, an jedem Ort das jeweils am besten geeignete Verkehrsmittel nutzen zu können. Sie spielen das „Spiel der Möglichkeiten“: Abhängig davon, wie das Wetter ist, ob sie eine Abendverabredung haben oder ein Paket transportieren müssen, entscheiden sie sich für ein E-Lastenfahrrad, das Auto oder den ÖPNV. Doch während die junge Bevölkerung in flexibler Mobilität denkt, sind große Teile der älteren Bevölkerung immer noch auf das Auto fixiert und tun sich schwer mit Veränderungen.

Der Parkplatz vor dem Einzelhandel sichert Umsatz? Tempo 50 lässt den Verkehr flüssiger fließen als Tempo 30? Die Reduzierung von Straßenfläche führt zum Verkehrskollaps? Noch immer glauben wir, dass die Erkenntnisse aus den 1970er-Jahren auch für Gegenwart und Zukunft gelten. Dies ist nicht der Fall, wie die Wissenschaft längst nachgewiesen hat. Und es zeigt sich jedes Mal, wenn eine Straße für den Autoverkehr geschlossen wird. Und wenn in der Folge, anders als befürchtet, kein weitreichender Verkehrskollaps entsteht, sondern der Verkehr anschließend flüssiger läuft, weil die Menschen alternative Angebote nutzen und feststellen, wie leicht das geht. Manchmal braucht es eben einen Einschnitt, um das eigene Verhalten infrage zu stellen oder neue Optionen zu nutzen und davon zu profitieren.

Das zeigt sich auch in den Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Dienstwagen-Berechtigten will heute auf diesen Wagen verzichten. Immer mehr Beschäftigte wünschen sich dafür ein sogenanntes Mobilitätsbudget, also einen Geldbetrag, den sie individuell für Jobrad, Deutschlandticket, Bahncard, Sharing- und/oder das Autoabonnement nutzen können.

Die Führerschein-Quote ist längst nicht so rückläufig, wie man geglaubt hat

Ja, auch das Auto ist Teil des „Spiels der Möglichkeiten“, weswegen die Führerschein-Quote längst nicht so dramatisch rückläufig ist, wie oft prognostiziert wurde. Trotzdem verändert sich die Mobilitätsnachfrage dramatisch: In Hamburg, der deutschen Hauptstadt der Mobilitätswende, nimmt der Anteil des Autos an den zurückgelegten Wegen ab, das Fahrrad gewinnt massiv. Denn dort gibt es nicht nur ein strategisches Ziel (80 Prozent aller Wege sollen bis 2030 mit Fahrrad, ÖPNV oder zu Fuß zurückgelegt werden), sondern auch eine auf das „Spiel der Möglichkeiten“ abgestimmte Verkehrs- und Stadtpolitik.

2

Microsharing

Ein immer wichtigerer Bestandteil der Mobilität ist das Microsharing. Der Trend zu geteilter Mobilität mit (E-)Fahrrädern, E-Scootern oder E-Mopeds wächst stark und ist irreversibel. Während er anfangs nur in Großstädten zu beobachten war, breitet er sich jetzt immer stärker auch in Kleinstädten oder auf dem Land aus. Microsharing ist Ausdruck einer flexibleren Gestaltung alltäglicher Wege und einer intelligenten Gestaltung der letzten Meile, weil die Routinen im Arbeitsalltag an Bedeutung verlieren. Die mobile Gesellschaft stellt klassische Mobilitätsmuster immer stärker infrage und fördert neue Formen der Mobilität im Alltag, auf dem Weg zur Arbeit und in der Freizeit. Gleichzeitig sind immer weniger Menschen bereit, viel Geld für Produkte auszugeben, wenn sie die meiste Zeit des Tages nicht genutzt werden und Platz einnehmen. Sharing ist smart und nachhaltig und prägend für die zukünftigen Generationen. Ausdruck dieser Veränderungen sind – wie das Marktforschungsinstitut Fluctuo herausgefunden hat – heute knapp eine Million geteilte Verkehrsmittel und über 600 Millionen Fahrten allein im Jahr 2023 in Europa, die mit Scootern (deren Anteil an diesen Fahrten 47 Prozent beträgt), Fahrrädern (42 Prozent), Autos (sieben Prozent) und Mopeds (vier Prozent) durchgeführt wurden. Tendenz: stark steigend!

In europäischen Großstädten gibt es mittlerweile zahlreiche Mobilitätsangebote, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Car-, Scooter-, Moped- und Bikesharing-Angebote sind entweder an festen Stationen verfügbar oder stehen im Straßenraum zur Nutzung bereit. Ridepooling (Fahrdienste, die Transportwünsche von Menschen bündeln, die in dieselbe Richtung wollen) und Ridesharing (die digitale Form der guten alten Mitfahrzentrale) steigern die Effizienz von Autofahrten. Angebote wie Uber, Bolt und FreeNow sorgen neben dem klassischen Taxi für neue, digitale Ridehailing-Dienste, also für das Rufen eines Fahrzeugs. Mietwagenfirmen bieten jedes erdenkliche Finanzierungsangebot für Kurz-, Mittel- und Langfristmieten an.

In Kopenhagen fahren die Menschen nicht aus Umweltgründen Rad, sondern weil sie damit in der Stadt am schnellsten an ihr Ziel kommen

All diese Dienste werden schon bald in unterschiedlichen Paketen und Kombinationen zu haben sein, um möglichst individuelle Bedürfnisse befriedigen zu können. Diese Angebote sind in der Regel deutlich günstiger, schneller und nachhaltiger als ein Auto, das in Deutschland mit durchschnittlich 1,2 Personen besetzt ist. Noch eine interessante Beobachtung am Rande: In Kopenhagen fahren 90 Prozent der Nutzenden nicht aus Umweltgründen mit dem Fahrrad, sondern weil es in der Stadt schlicht und einfach das schnellste Verkehrsmittel ist. So verbinden sich Schnelligkeit, Nachhaltigkeit und Gesundheit.

Wo interessante Angebote bereitstehen, werden sie auch nachgefragt

Bei der Frage nach einem nachhaltigen, attraktiven Tourismus steht also nicht nur die Anreise im Fokus, sondern auch die Mobilität vor Ort. Anders als sonst in der Wirtschaft gilt übrigens nicht, dass die Nachfrage das entsprechende Angebot an Sharing-Diensten hervorbringen wird. Es funktioniert vielmehr umgekehrt: Überall dort, wo Destinationen ein interessantes Angebot an alternativer Vor-Ort-Mobilität durch Sharing-Dienste bereithalten, bildet sich auch die entsprechende Nachfrage. Denn Gäste– und ganz allgemein die Menschen in unseren Zeiten – brechen nicht von sich selbst aus dem gewohnten Mobilitätsdenken aus. Sie möchten etwas angeboten bekommen. Sie wollen es erst einmal testen. Und wenn sie dann erlebt haben, wie bequem, unkompliziert und entspannend autofreie Mobilität mit geteilten Verkehrsmitteln sein kann, steigen sie um.

Mobilität – die wichtigsten Begriffe

Shared mobility
Die digitale Weiterentwicklung des klassischen Fahrzeugverleihs. Menschen teilen sich Fahrzeuge wie Autos, Fahrräder oder E-Scooter, mieten sie also kurzfristig, spontan und nach Bedarf, statt sie jeweils selbst zu erwerben. Der große Unterschied zum herkömmlichen Fahrzeugverleih besteht in der digitalen Basis. Gemietet wird meist auf kommerziellen Internet-Plattformen, die einfach über das eigene Smartphone zu bedienen sind.

E-Scooter/E-Roller
In diesem Heft verstehen wir darunter elektrisch betriebene Tretroller, wie sie von Sharing-Diensten angeboten werden (in Abgrenzung zu Mopeds).

Intermodalität
Die Kombination verschiedener Verkehrsmittel, um eine bestimmte Strecke zurückzulegen. Wer mit dem eigenen Fahrrad zum Bahnhof radelt, dann den Zug in die Stadt nimmt und von dort mit dem E-Scooter zur Arbeit fährt, bewegt sich intermodal. Im Unterschied dazu beschreibt Multimodalität die Nutzung verschiedener Fahrzeuge für verschiedene Wege (mit dem Auto zum Einkaufen, mit dem Fahrrad zum Sport).

Seamless mobility
Wörtlich übersetzt mit „nahtloser Mobilität“. Gemeint ist eine Mobilitätskette, bei der die einzelnen Verkehrsmittel – öffentliche und private – nahtlos aufeinander abgestimmt sind. Dazu müssen die einzelnen Akteure digital miteinander vernetzt sein, im Idealfall über eine einzige App.

Modal split
Ein Begriff aus der Statistik. Gemeint ist die Aufteilung des gesamten Verkehrs auf die unterschiedlichen Verkehrsmittel: Wie viel Prozent laufen über individuelle Pkws, über den ÖPNV, über Fahrradverkehr? Der Modal Split liefert Erkenntnisse zu den Mobilitätsverhältnissen und hilft bei der Verkehrsplanung.

On-demand-mobilität
Im Unterschied zum Linienverkehr, bei dem zu festgesetzten Zeiten festgelegte Strecken gefahren werden, folgt der On-Demand-Verkehr der Nachfrage und ist damit flexibel. On-Demand-Verkehre können entweder in den ÖPNV integriert oder von kommerziellen Unternehmen angeboten werden. Bestes Beispiel für zeitgemäße On-Demand-Angebote sind Rufbusse mit App-Buchung. Ziel dabei ist es, mehrere Fahrtwünsche zu „poolen“, also zu bündeln.

3

Mobility Hubs

Mobility Hubs sind ein weiterer wichtiger Trend in der Mobilität. Sie bilden gewissermaßen das Zentrum der neuen Mobilität. Man versteht darunter Knotenpunkte, an denen die Menschen von einem auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. Ein ganz klassischer Stadtbahnhof, zu dem eine U-Bahn-Haltestelle gehört und eine Bikesharing-Station, ist nach dieser Definition ein Mobility Hub. Ein Bahnhof, an dem hingegen nur Züge halten, ist kein Mobility Hub. Eine rot eingefärbte Asphaltfläche, auf der E-Scooter abgestellt und ausgeliehen werden können, ist kein Mobility Hub. Erst wenn sich dieser Parkplatz neben einer Bushaltestelle befindet, verwandelt er sich in einen Mobility Hub.

Hubs sind nicht nur strategisch wichtig, sondern eine entscheidende Voraussetzung für einfachen Zugang zur Mobilität

Mobility Hubs sind also zunächst einmal physische Orte, die digital buchbare Angebote zusammenführen – E-Scooter, Fahrräder oder Autos – und die den Zugang zu Angeboten des ÖPNV wie U-Bahn oder Ridesharing-Haltepunkten vereinfachen. Doch ihr großes Potenzial für die Zukunft liegt darin, dass sie zusätzlich auch noch soziale Funktionen übernehmen können. Dass sie also zu Orten werden können, an denen Menschen nicht nur umsteigen, sondern auch Co-Working-Spaces, Lade- und Batteriewechselstationen in Anspruch nehmen, eine Fahrradwerkstatt oder den Infopoint eines Tourismusbüros vorfinden, ein Café oder ein Bürgerbüro. Monofunktionale Räume wie ein Parkhaus oder Bushaltestellen könnten auf diese Weise aufgewertet werden. Mobility Hubs könnten nahezu überall entstehen, wo Menschen Mobilität benötigen – auf dem Bahnhofsvorplatz oder an einer Tankstelle. Sie sind nicht nur strategisch wichtig für die zukünftige Gestaltung des Verkehrssystems, sondern eine wichtige Voraussetzung für einfachen Zugang zur Mobilität.

In einer Tourismusregion bilden Mobility Hubs die Voraussetzung für eine autoärmere, nachhaltigere Mobilität. Hier kann es regelmäßige, fahrplanmäßige Dienste für Fahrten mit hoher Nachfrage ebenso geben wie maßgeschneiderte On-demand-Dienste und Angebote für die letzte Meile. Oder Einkaufsmöglichkeiten für den Wanderproviant. Ein solcher Ansatz ermöglicht es Nutzenden, bequem zu reisen; das Umsteigen wird zum Kinderspiel. Und weil Mobility Hubs modular und flexibel konzipiert sind, können sie im Sommer ein anderes Angebot bereithalten (z. B. mehr Fahrräder) als im Winter (geheizte Warteräume), in der Großstadt (Cargobike-Sharing) ein anderes als in den Bergen (Ridepooling zu den Skipisten).

Mobility Hubs sind immer auch Orte des Zusammenkommens

Auch Tankstellen lassen sich zu Mobility Hubs erweitern. Denn auch wenn bald schon Elektroautos mit 1.000 Kilometer Reichweite unterwegs sein werden, wird sich die Ladezeit drastisch verkürzen, weil sich die Batterietechnologie so schnell weiterentwickelt. Tank- bzw. Ladestellen brauchen also keine Angebote für Langzeitlader. Aber wie viele andere Mobility Hubs können sie zusätzlich auch für Funktionen genutzt werden, die auf die jeweiligen lokalen Erfordernisse abgestimmt sind. Damit wären wir wieder bei der sozialen Funktion von Mobility Hubs. Im ländlichen Raum zum Beispiel können diese Knotenpunkte zugleich auch Platz für die Poststelle bieten, für den Bankautomaten, die Paketablage und den kleinen Supermarkt. Sie machen den öffentlichen Raum dadurch wieder attraktiver, schaffen neue Begegnungsstätten für die Menschen – und zwar für Einheimische und Gäste zugleich, die sich hier treffen und in Kontakt miteinander treten können. Es entstehen Räume des Zusammenkommens für alle. Mobility Hubs sind also immer auch soziale Treffpunkte. Sie erhöhen die Lebensqualität eines Ortes und schaffen neue Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten.

4

Free Access

Bitte den „freien Zugang“ nicht mit „kostenloser Fahrt“ verwechseln!  Gemeint ist hier: Zugang zu Mobilität für alle. Dabei steht nicht allein der Preis im Fokus, sondern vor allem die (unkomplizierte) Gestaltung des Mobilitätsangebots. Die ist enorm wichtig, denn erst wenn der Zugang zur Mobilität einfach, einladend und flexibel ist, kann die Verkehrswende in Schwung kommen. Leichte Zugänglichkeit ist der Schlüssel zu einem zukunftsfähigen öffentlichen Verkehrssystem. Sie bedeutet, dass in jeder Situation, an jedem Ort das jeweils ideale Verkehrsmittel genutzt werden kann. Und das ohne vorheriges Kopfzerbrechen. Wann haben Sie das letzte Mal vor einem Fahrkartenautomaten über der Zonenaufteilung gegrübelt und dann umständlich ein Ticket gezogen? Diese Vertriebsart wird bald der Vergangenheit angehören. Denn multimodale Fortbewegung lässt sich kaum von einem Automaten abbilden. Viel besser sind hier kontaktlose Optionen geeignet: Immer häufiger halten Fahrgäste einfach ihre Kredit- oder Debitkarte oder ihre digitale Nahverkehrs-App an ein Lesegerät – und der Fahrpreis wird automatisch eingezogen. Die SBB-Mobile-App der Schweizer Eisenbahnen ermittelt dabei sogar automatisch das günstigste Angebot, ohne dass man sich im Vorfeld selbst informieren, Knöpfe drücken oder komplizierte Berechnungen anstellen muss.

Leichte Zugänglichkeit drückt sich auch in einer für die Nutzer und Nutzerinnen attraktiven Preisgestaltung aus. Das 9-Euro-Ticket, das von Juni bis August 2022 in Deutschland angeboten wurde, verdankt seinen durchschlagenden Erfolg (52 Millionen verkaufte Tickets in drei Monaten) nicht nur dem sehr günstigen Preis, sondern vor allem auch dem äußerst einfachen, klar verständlichen und überregionalen Angebot. Es lohnte sich für jeden und es brachte Menschen in den ÖPNV und in touristische Destinationen, die davor noch nie mit Bus oder Zug gereist waren. Das aktuell angebotene Deutschlandticket hingegen kann an diesen Erfolg nicht anknüpfen. Warum? Weil hier Interessierte erst mühsam nachrechnen müssen, ob sich das Ticket für sie lohnt. Das ist der Unterschied zwischen Access (dem Deutschlandticket) und Free Access (dem 9-Euro-Ticket).

Auch die Gästekarte kann im Sinne von Free Access gestaltet werden

Für den Tourismus lässt sich hier die Gästekarte als Beispiel heranziehen: Ist sie nur ein Stück Plastik, das Gäste im Wanderbus vorzeigen, um kostenlos mitfahren zu dürfen? Oder ist sie eine App, das ihnen den einfachen Zugang zu ÖPNV-, Sharing- und Mietangeboten vor Ort ermöglicht? Die sie vielleicht sogar belohnt, wenn sie nachhaltig mobil unterwegs sind? In jedem Fall gilt: Private und kommunale Akteure müssen zusammenarbeiten, damit neue, flexible Mobilitätsangebote für Gäste und Einheimische attraktiv werden. Denn so wird das touristische Angebot nachhaltiger. Und damit auch die Attraktivität einer Destination größer.

Lesen Sie mehr über Trends, die unsere künftige Mobilitätskultur prägen.

© Thomas Kamenar