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{{postCount}} Touri, bleib da!

Touri, bleib da!

Was tun, wenn Tagesausflügler*innen in touristischen Hot­spots zum Problem werden und die Einheimischen dagegen aufbegehren? Das Tölzer Land, während der Corona-Pandemie vom  Münchner Tagestourismus hart getroffen, hat sich eine Sensibilisierungskampagne ausgedacht. Und wirbt bei den Locals um mehr Verständnis.

Richtig neu ist das Problem nicht: Schon oft herrschte an sonnigen Wochenenden schlechte Stimmung in bayerischen Aus­flugsdestinationen, wenn Tages­ausflügler*innen zuerst für lange Staus auf den Landstraßen sorgten, dann Wiesen und Einfahrten zuparkten und nach ihrer Abreise Müll und andere unschöne Souvenirs in der Landschaft zurückließen.

Die Corona-Pandemie hat schwelende Konflikte ans Tageslicht gebracht

Viele Bewohner*nnen touristischer Hot­spots im ganzen Land verdross und verdrießt es, dass sie für das Erholungsbedürfnis der Münchner*innen – einer Metropole mit eineinhalb Millionen Einwohner­*innen und anderer bayerischen Städter*innen Lärm, Stress und Abfall in Kauf nehmen müssen. So jedenfalls kommt es ihnen vor. Und das ohne Gegenleistung – finden jedenfalls diejenigen Einheimischen, die nicht selbst direkt in der Tourismusbranche beschäftigt sind.

Die Corona-Pandemie 2020 hat die Konflikte noch verschärft. Trotz – oder wegen – Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen strebten an den Wochenenden unzählige Tagesausflügler*innen in die bayerische Natur. Die Städter*innen litten unter dem Gefühl des Eingesperrtseins, unter Bewegungsmangel und Monotonie. Geschlossene Freizeiteinrichtungen in den Städten und Reiseverbote führten aber dazu, dass sich das kollektive Erholungsbedürfnis fast ausschließlich aufs Umland konzentrierte. Hotspots, die sich schon vor der Pandemie großer Beliebtheit erfreuten, waren besonders betroffen. Weil touristische Dienstleistungsbetriebe und Gaststätten wegen der Pandemie geschlossen waren und das Publikum daher kaum Geld ausgeben konnte, tröstete noch nicht einmal der Gedanke ans Geschäft. Es gab ja keines.

Widerstand regte sich in der bereisten Bevölkerung, und dies mitunter sehr deutlich. Im oberbayerischen Miesbach fuhren Ausflüg­ler*innen an einem Winterferien­tag an einem handgemalten Schild vorbei, das sich „An olle Stoderer …“ richtete und diesen nahelegte, zu Hause zu bleiben, „wos hi g’herts“. Wenige Tage später – auch weil die Infektionszahlen in die Höhe gegangen waren – zog der Landkreis Miesbach nach und verhängte ein „Einreiseverbot“ für Freizeit-Ausflügler*innen, das mehrere Wochen in Kraft blieb. Das wiederum empörte die „Stoderer“. War man denn nicht jahrelang gern gesehene Klientel gewesen?

Corona hat auch in Bayern ein Phänomen verstärkt, das aus klassischen Hotspots wie Venedig oder Berlin bekannt ist. Zwischen Einheimischen und Tourist*innen tun sich zunehmend Gräben auf. Die einen beklagen die gesunkene Lebensqualität aufgrund ungesteuerter Massen an Tourist*nnen, die anderen fühlen sich abgelehnt, nicht mehr willkommen.

Gegenseitiges Verständnis als Schlüssel zu einem positiv gelebten Tourismus

Noch ist der Missklang nicht so stark wie in Barcelona oder Amsterdam, wo sich die Bevölkerung bereits aktiv gegen einen überhand genommenen Tourismus zur Wehr setzt. Dennoch herrscht Bedarf an Lösungen. Denn für sämtliche bayerische Urlaubsregionen ist von fundamentaler Bedeutung, dass die Einheimischen dem Tourismus (und den Tour­ist*innen) wohlgesonnen gegenüberstehen. Ohne echte „Gastgeber“-Kompetenzen nützen die schönste Natur, die besten MTB-Trails und die spannend­sten Museen nichts: Die Gäste werden lieber dorthin reisen, wo sie sich geliebt fühlen. Wie entsprechende Lösungen aussehen könnten, zeigt die Tourismusregion Tölzer Land mit einer Sensibilisierungskampagne in (vorerst) zwei Akten, die sich sowohl an die Einheimischen als auch an die Tourist*innen wendet. Dr. Ingo Mehner, Bürgermeister von Bad Tölz, hat es so formuliert: „Wir müssen verstehen, dass es zwischen uns Einheimischen und den Touristen nur ein Miteinander geben kann. Wir brauchen also gegenseitiges Verständnis. Weil davon alle profitieren.“

„Charmant miteinand“ hieß der erste Akt der auf vielen Kanälen gespielten Kampagne, die im Juni 2020 anlief. Angesprochen wurden die Einheimischen. Ziel war, eine positive Einstellung zum Tourismus zu fördern und die Bevölkerung zum Zusammenhalt aufzurufen. Großflächig wurden unter anderem Zahlen plakatiert, die unter der Headline „Danke Tourismus“ verdeutlichten, was der Tourismus der Region alles bringt: „4.500 Arbeitsplätze“ zum Beispiel, „335 Millionen Bruttoumsatz“, aber auch „260 Loipenkilometer“ und „über 500 Kilometer Radwege und Radrouten“. „Denn das muss man wirklich mal klar sagen“, betont Bürgermeister Mehner.

Es ist ja nicht nur, dass der Tourismus für Geld und Arbeitsplätze sorgt. Ihm verdanken wir neben wirtschaftlichem Wohlstand auch eine tolle Infrastruktur und eine entsprechende Lebensqualität. Schöne Geschäfte, Spitzen­gastro­nomie, dazu die ganzen Freizeitmöglichkeiten – davon haben wir alle etwas. Allein für uns Einheimi­sche wäre da vieles sicher nicht entstanden.

Ein Argument, das auch diejenigen Tourismuskriti­kerInnen milde stimmen soll, die von Bruttoumsatz und Arbeitsplätzen nicht viel spüren, weil sie in anderen Branchen arbeiten. „Je weniger einer vom Tourismus hat, desto ablehnender steht er den Auswüchsen gegenüber“, hat Mehner beobachtet. Die Kampagne wurde nicht nur plakatiert, sondern auch auf Social-Media-Kanälen gepostet, ausführlich in der Lokalpresse besprochen und war auf der Website der Ferienregion Tölzer Land präsent. Dort kamen auch Einheimische zu Wort, die ihre Begeisterung für ihre Jobs in der Tourismusbranche zum Ausdruck brachten, unter anderem eine Skilehrerin, ein Flößer und die Betreiberin eines Dorfladens. Mit dem Ergebnis ist Bürgermeister Mehner zufrieden. „Ich bin oft darauf angesprochen worden“, erzählt er. „Es ist jetzt spürbar mehr Bereitschaft da, darüber nachzudenken, was man alles machen könnte, um die Negativfolgen des Tourismus abzuschwächen. Und darum ging es ja. Die Leute sollen nicht nur am Stammtisch granteln, sondern sich richtig austauschen.“

Außerdem habe die Kampagne nach außen die Gastfreundschaft des Tölzer Lands unterstrichen. Das findet Mehner auch nicht schlecht. Heuer geht die Kampagne in die zweite Runde und spricht diesmal die Tour­istInnen selbst an. Sie sollen für den Naturschutz sensibilisiert werden. Kommuniziert werden soll, wie man beim Skitourengehen Rücksicht auf die Umwelt nimmt, oder dass man seinen Müll wieder mit nach Hause nimmt. „Naturschutz beginnt mit dir“ und „Damit es so bleibt“ lauten die Slogans der bildstarken Kampagne, die als Außenwerbung in touristischen Hotspots plakatiert werden soll.

Die Leute granteln jetzt nicht mehr, sondern tauschen sich aus

Dazu sind eigene Naturschutzvideos in Planung, und es findet eine Radio-Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk statt. „Für die Inhalte arbeiten wir eng mit den Kolleginnen und Kollegen vom Landratsamt und mit Naturschutzexperten wie den Isar-Rangern zusammen“, erzählt Dr. Andreas Wüstefeld, Leiter von Tölzer Land Tourismus. „Auch online könnte es noch spannende Möglichkeiten geben, wie etwa Hinweise auf das Betreten von Naturschutzgebieten in Outdoor-Apps.“

Überhaupt, die digitale Technik: Bürgermeister Mehner freut sich bereits auf In­strumente, die den Strom der Tagesausflügler*innen zu verteilen helfen: Ausflugsticker, Gästelenkung und digitales Parkraummanagement heißen die Schüsselworte. Auch Touristiker Wüstefeld setzt auf ein breit gefächertes Instrumentarium. „Es gibt nicht den einen Knopf, den man drücken muss, um die Tourismus­Akzeptanz und damit auch die Besucherlenkung zu verbessern“, sagt er.

„Rücksichtsvoll durch Bayern“ – auch die BayTM sensibilisiert die Tourist*innen

„Wir spielen da auf einer ganzen Klaviatur. Doch wir werden dafür noch etwas Zeit brauchen.“ Dafür ist die BayTM schon aktiv geworden und hat ihre eigene Sensibilisierungskam­pagne entwickelt. Sie ist online zu sehen: Mit provokant-amüsanten Videos von Harry G, Interviews mit Berg­retter*innen, Skiführer*innen und Naturparkexpert*innen sowie Tipps für „Ausflüge ohne Gedränge“ zielt sie auf mehr Verständnis auf beiden Seiten. Erklärt wird auch, wie man sich im Naturpark verhält oder naturverträglich anreist. Motto der Kampagne: „Rücksichtsvoll durch Bayern“.

Layouts: Tölzer Land Tourismus – Peter von Felbert, Tölzer Land Tourismus – Leonie Lorenz, Tölzer Land Tourismus – Bernd Ritschel, Tölzer Land Tourismus