{{postCount}} Workflows mit Weitblick

Workflows mit Weitblick

Wie sieht der Alltag im touristischen Marketing aus, wenn künstliche Intelligenz wie ChatGPT und Landlust-7B zum Team gehören? Meike Kirsch, ehemalige Redaktionsleiterin des Reisemagazins GEO Saison und aktuell KI-Beraterin für Unternehmen, nimmt uns mit in die fiktive Urlaubsdestination Kihausen. Und zeigt uns, was in der wunderbaren Welt der neuronalen Netzwerke alles möglich ist.

Text: Meike Kirsch

07:30 Uhr: Drei Modelle, ein Mensch, ein Ziel

Charly, Marketing-Direktor im Tourismusverband von Kihausen, parkt seinen VW-Bus vor dem Büro. Vom barocken Kirchturm Kihausens schlägt es halb acht. Das Morgenlicht glänzt auf sanft gewellten Weinbergen. Darüber liegt die Sonnhöhe mit ihren aussichtsreichen Wanderwegen. Charly ist wie immer der Erste im Büro. Er genießt die morgendliche Ruhe, um seinen Laptop zu öffnen und mindestens drei KI-Modelle gleichzeitig zu starten: Claude Sonnet 4 für kreative Arbeit. ChatGPT o3 für präzise Recherche. Und ein lokales Open-Source-Modell namensLandlust-7B, das seine Abteilung speziell mit regionalen Daten trainiert hat.  KI-Hack #1:  Charly stellt allen Modellen grundsätzlich immer dieselbe Frage. „Denn wo die drei sich widersprechen, wird es für unsere Kampagnen interessant“, murmelt er vor sich hin.

Charlys Prompt des Tages:

Analysiere die aktuellen Urlaubstrends für tech­nikaffine Städter mit Natursehnsucht. Fokussiere auf das Bedürfnis nach „digitalem Detox“, ohne komplett offline zu sein. Stelle drei Thesen auf, wie Kihausen mit seinen Attraktionen (Waldsee, Genuss-Alm, Sonnhöhe) diese Zielgruppe ansprechen könnte. Denke außerhalb üblicher Marketingklischees.

Während die KIs arbeiten, bereitet sich Charly einen Wiesenkräutertee zu und holt sein Notizbuch hervor, in dem er die besten Prompt-Ideen sammelt. „Garbage rein, Garbage raus“, steht als wichtigster Lehrsatz auf der ersten Seite: Wer gute Prompts schreibt, bekommt auch gute Antworten.

09:00 Uhr: Morgen­briefing – wenn Bits auf Bayern treffen

Der Konferenzraum „Sonnhöhe“ füllt sich. Das Team versammelt sich um den großen Holztisch, auf dessen Oberfläche ein nahtlos integriertes Display die neuesten Besucherstatistiken von Kihausen zeigt. Neben Charly sind heute anwesend: Gisela, die KI-Spezialistin und Datenanalystin, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Open Source“ trägt. Peter, der Recherche- und Faktenchecker-König, der stets 13 Browser-Tabs gleichzeitig offen hat. Und Claudia, die Texterin,  bei der Herz und Hashtag keinen Widerspruch bilden. Gisela präsentiert ihre neueste Innovation: ein selbst entwickeltes Dashboard, das die Besucherströme in Kihausen visualisiert und Verhaltensvorhersagen trifft. Die Ergebnisse sind verblüffend: Das Tool hat Muster identifiziert, die keinem menschlichen Analysten aufgefallen wären – subtile Korre­lationen zwischen Luftdruckschwankungen, Social-Media-Likes und Besucherverhalten. Dann die Erkenntnis, die alle stutzen lässt: „Wir sehen auf dem Dashboard einen Anstieg von 67 Prozent bei Such­anfragen nach digitalem Detox … mit Internet!“ Claudia freut sich: „Naturerlebnis mit Netzempfang? Genau das ist doch Kihausens Kernkompetenz!“ Peter schließt direkt an: „Ich habe das mit meinen Recherche-KIs Perplexity und Consensus schon überprüft. Stimmt!“ Keiner im Team weiß besser als Peter, was beim Einsatz von KI wirklich wichtig ist. Sich Antworten auf alle Fragen liefern zu lassen, ist heute ein Kinderspiel. Entscheidend ist heute vielmehr das Filtern.  KI-Hack #2:  „Ihr müsst lernen, KI-Halluzinationen von echter Substanz zu unterscheiden“, ermuntert Peter das Team. „Mit Faktenchecker-Prompts geht das am allerbesten.“ Er zeigt ein Beispiel:

Du bist ein skeptischer Faktenchecker mit Expertise in Tourismusforschung. Deine Aufgabe ist es, folgende Behauptung kritisch zu prüfen: „Die Suchanfragen nach ‚digitalem Detox mit Internet‘ sind zuletzt um 67 % gestiegen.“ Überprüfe diese Information penibel auf ihre Richtigkeit. Welche Studien existieren zu diesem Thema? Gibt es widersprüchliche Daten? Differenziere nach Altersgruppen und beruflichem Hintergrund. Gib bitte alle Quellen an, die deine Analyse stützen oder ihr widersprechen.

10:30 Uhr: Kampag­nenentwicklung mit künstlicher Kreativität

Charly leitet nun die strategische Planungsphase für die Sommerkampagne ein. Auf dem Screen erscheint eine Mindmap der Attraktionen von Kihausen, die in der Kampagne eine Rolle spielen sollen: Der Waldsee – kristallklar und tiefblau. Die Genuss-Alm – eine Heckenwirtschaft im Weinberg. Der Bärbach – ein romantisches Flüsschen. Die Sonnhöhe – der schönste Aussichtspunkt der Region.

„Als Erstes brauchen wir einen guten Slogan“, entscheidet Charly. Also füttert Gisela alle KIs mit den entsprechenden Prompts: ChatGPT o3, Claude Sonnet, Gemini, DeepSeek, Grok … Keine 0,7 Sekunden, und schon leuchten die ersten Slogan-Vorschläge auf dem Screen. Nur ChatGPT o3 – ein Reasoning-Modell, das Daten analysiert, kombiniert und „nachdenkt“, bevor es den Mund aufmacht – braucht eine volle Minute. Die Ergebnisse klingen alle schon richtig gut:

„Kihausen – dein Landurlaub mit Bandbreite“

„Kihausen – wo Genuss und Gigabytes sich treffen“

„Kihausen – natürlich verbunden“

Nicht schlecht, das muss sogar Claudia den KI-Kolleginnen lassen. Als Texterin aus Fleisch und Blut packt sie jetzt aber auch der Ehrgeiz. Sie schließt die Augen, jongliert mit Worten, kombiniert Alliterationen und Assoziationen. Bis sie es hat: „Kihausen – tief entspannend, hoch vernetzt.“ „Das ist es!“, bejubelt auch Charly den Slogan. Neugierig öffnet er die Bildgeneratoren Midjourney und Adobe Firefly. Binnen Sekunden entstehen erste Bildwelten: ein kristallklarer Waldsee im Sonnenaufgang, funkelnde Weingläser auf der Genuss-Alm. Das Tool HeyGen erstellt dazu einen Avatar, der durchs Video wandelt und die Vorzüge Kihausens preist – in 54 veschiedenen Sprachen. Doch Charly schüttelt den Kopf. „Tolle Technik, aber das machen wir auf keinen Fall“, sagt er entschlossen. „Unseren potenziellen Gästen zeigen wir Kihausen, wie es wirklich ist. Gleich morgen früh schicken wir ein Film- und Fototeam los. Fantasie ist toll, Glaubwürdigkeit ist besser. Jedenfalls im Tourismus.“

12:00 Uhr: Mittagessen mit dem Chef

Das Team geht mit seinem Chef, dem Geschäftsführer des Tourismusverbands Kihausen, in der Mittagspause ins Wirtshaus. Während des Essens läuft die Arbeit diskret weiter: Unter dem Tisch trainiert Gisela ein Sprachmodell auf die Erkennung lokaler Dialektausdrücke. Charly legt dem Chef sein Tablet hin. „Guck mal!“

Erstelle 99 unterschiedliche Hauptpersonas, die alle Kihausen besuchen könnten, aber aus unterschiedlichen Gründen und mit verschiedenen Bedürfnissen:

Für jede Persona:
1. Name, Alter, Beruf, Wohnort, Familienstatus, technische Affinität
2. Hauptmotivation für einen Digital-Detox-Urlaub
3. Digitale Schmerzpunkte im Alltag – womit kommt sie in der digitalen Welt noch nicht so gut zurecht?
4. Ideale Balance zwischen Offline-Sein und digitaler Verfügbarkeit
5. Bevorzugte Aktivitäten im Urlaub
6. Informations- und Buchungsverhalten
7. Präferierte Kommunikationskanäle

Entwickle anschließend für jede dieser Personas eine vollständig personalisierte Customer Journey von der Aufmerksamkeits- bis zur Bindungsphase mit:
– Touchpoints
– Kernbotschaften je Touchpoint
– Content-Formaten
– Timing

Denke dabei konsequent aus der Perspektive dieser Persona.

„Früher haben wir unsere Botschaften an die Masse gesendet“, erklärt Charly seinem Vorgesetzten. „Nun ist etwas ganz anderes in Sicht: die ‚Audience of 1‘ – vollständig personalisierte Kommunikation.“ „Die Leute werden das Gefühl haben, dass wir direkt in ihre Seele geblickt haben“, begeistert sich nun auch Gisela. „Dabei haben wir nur die richtigen Muster erkannt und verbunden. Das ist Empathie, skaliert durch Technologie. Wir verstehen die Menschen besser und können daher relevanter für sie sein.“

14:00 Uhr: Content-Produktion im Höchsttempo

Zurück im Büro läuft die Content-Maschine an. Das Team hat den Chef mit der Kernbotschaft überzeugen können: „Kihausen – tief entspannend, hoch vernetzt.“ Nun stürzt sich jeder in seinen Kompetenzbereich: Claudia jongliert Headlines, Hooks und ganz viel Human Touch. Mit dem richtigen Prompt hat sie die Texte für die 99 Personas innerhalb von sieben Minuten erstellt. Der Rest ist Feilen.

Charly arbeitet sich durch das Bildarchiv und rockt mit KI-Unterstützung das Layout. Gisela entwickelt ein interaktives Quiz: „Welches Kihausen-Erlebnis passt zu deinem digitalen Stresslevel?“ Und Peter überprüft die Fakten jeder Storyline – unterstützt von Perplexity und natürlicher Intelligenz. Und über allem liegt dieser kollektive Drive, der nur entsteht, wenn alle wissen: Das hier wird gut. Richtig gut.

17:30 Uhr: Datenanalyse und Zukunftsplanung

Um halb sechs liegt die Kampagne in voller Pracht vor ihnen – visuell, textlich, strategisch. Doch zurücklehnen? Von wegen! Die letzte Session des Tages gehört der Zukunft.

Gisela projiziert ihr Dashboard auf die Wand des Konferenzraums – die Auswertung vergangener Kampagnen spricht für sich: 42 Prozent Steigerung der Besucherzahlen seit Einführung der KI-personalisierten Kommunikation. 67  Prozent höhere Engagement-Rate bei Content, der mit Unterstützung durch Reasoning-Modelle erstellt wurde. Und 89  Prozent der Besuchenden gaben an, in Kihausen tatsächlich eine „bedeutungsvolle Verbindung zwischen Natur und Technologie“ erlebt zu haben. Doch das Team wäre nicht das Team, wenn es damit zufrieden wäre. „Eine meiner Lieblingstechniken ist Reverse Prompting“, sagt Charly und macht sich einen letzten Espresso.  KI-Hack #3:  „Statt der KI direkt Aufgaben zu stellen, bitte ich sie, mir bessere Prompts vorzuschlagen. Es ist wie ein KI-Brainstorming über KI-Brainstorming.“ Sein Meta-Prompt:

Du bist ein erfahrener Prompt Engineer mit Speziali­sierung auf Tourismusmarketing. Ich möchte kreative, ungewöhnliche Ideen für die Vermarktung von Kihausen entwickeln – einer Region, die Natur und Technologie auf einzigartige Weise verbindet.

Bitte erstelle 5 hochwertige, detaillierte Prompts, die ich an ein Reasoning-KI-Modell senden könnte, um originelle Marketingkonzepte zu entwickeln. Die Prompts sollten unterschiedliche Perspektiven einnehmen und zu wirklich innovativen Ideen führen. Erkläre bei jedem Prompt kurz, warum er besonders effektiv sein könnte.

Lauter tolle Tools – kleine KI-Werkzeugkiste für Marketer

ChatGPT 4o – Das aktuelle, schnelle Standardmodell des Marktführers OpenAI. Ideal für die meisten Aufgaben – von Text bis Planung. Neu: deutlich bessere Bildgenerierung.

ChatGPT o3 – Nutzt dieselbe Oberfläche, ist aber als „denkendes“ Reasoning-Modell gründlicher in der Analyse. Gut für knifflige Fragen und Strategie.

Claude Sonnet 4 – Kreativer Chatbot des OpenAI-Konkurrenten Anthropic. Charakter- und formulierungsstark.

Consensus – Die akademische KI-Suchmaschine. Sie generiert nicht die wahrscheinlichsten Antworten, sondern die wissenschaftlich korrektesten, indem sie Millionen wissenschaftliche Texte auswertet. Gut für Recherchen und Faktenchecks.

DeepSeek – Die chinesische Open-Source-KI eignet sich für technische Aufgaben, komplexe Problemstellungen, Mathematisches. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt sich die lokale Installation.

Adobe Firefly – KI-Bildgenerator, dessen Bilder anders als bei Midjourney nach aktuellem Stand der Dinge bedenkenlos kommerziell genutzt werden dürfen.

Grok – Die KI von Elon Musks Firma X.ai. Relativ unzensiert, charakterstark und mit viel Potenzial.

HeyGen – Erstellt Videos mit verblüffend realistischen KI-Avataren, die viele Sprachen nahezu lippensynchron sprechen.

19:00 Uhr: Algorithmus trifft Ausklang

Offiziell ist Feierabend, inoffiziell beginnt der kreativste Part. Gisela hat eine KI-generierte Jazzkomposition mit­gebracht, die auf den Tonfrequenzen des Bärbachs basiert. Es klingt, als hätte ein Wildbach improvisiert: frei, leicht versetzt, harmonisch. Peter hat sein privates Reasoning-Modell eine Kihausener Brotzeit entwerfen lassen: fermentiertes Wiesengemüse, Lupinenkas, Moosbrot. Ein schmackhaftes Ergebnis. Und Charly hebt sein Glas: „Auf Kihausen – tief entspannend, hoch vernetzt!“ Zum Schluss schreibt der Kreativchef noch einen letzten Satz in sein Notizbuch. Einen Satz, der wichtiger für die Zukunft ist als alles, was heute sonst auf dem Whiteboard stand.  KI-Hack #4:  „Wer KI verstehen will, muss sie nutzen.“

Wo KI im Tourismus­marketing Sinn macht

Wo KI glänzt:

  • Daten durchdringen und Inhalte strukturieren: KI erkennt Muster in komplexen Datensätzen, filtert Relevantes heraus und verwandelt Unübersichtliches in gegliederte Inhalte. So wird aus Rohdaten ein Wissensvorsprung – schnell, skalierbar, zuverlässig.
  • Kreative Prozesse beschleunigen: KI begleitet den gesamten kreativen Prozess – von der ersten Idee bis zum Feinschliff. Sie ist Marketingprofi, kreativer Sparringspartner und Textexperte in einem. Wer richtig promptet, bekommt Inspiration für Kampagnen und Inhalte für alle Kanäle: von Social Media über Websites bis zum Video-Skript.
  • Personalisierung fast auf Knopfdruck: KI denkt Inhalte nicht mehr für die Masse, sondern für den Einzelnen. Aus einem Themenkern entstehen in kürzester Zeit nach Zielpersonen differenzierte Varianten. Jeder bekommt, was zu ihm passt – im richtigen Ton, Format und zur besten Zeit.

Wo KI ihre Grenzen hat:

  • Authentizität und echtes Storytelling: Reisesehnsucht entsteht nicht durch generische Formulierungen. Geschichten, die wirklich berühren, brauchen echte Erfahrungen und menschliche Nuancen.
  • Feinfühligkeit für Zielgruppen: Wer lokale Eigenheiten oder Zwischentöne übersieht, produziert schnell Inhalte, die beliebig klingen – oder am Ziel vorbeigehen.
  • Bildstark, aber ortsfremd: KI kann Fotos von Orten generieren. Aber sie war nie dort und trifft nie ganz das Original. Im Tourismusmarketing macht das den Unterschied.
  • Vertrauen und Glaubwürdigkeit: Tourismus lebt vom Vertrauen. Übertriebene Schönfärberei oder KI-generierte Übertreibungen wirken schnell unehrlich – und schaden der Marke mehr, als sie nützen.

Hier erfahren Sie, wie Sie richtige gute Prompts schreiben können. Es ist gar nicht schwer!

Illustrationen: stock-adobe.com